© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Angriff auf die deutsche Autoindustrie
Eine neue EU-Verordnung bedroht die deutsche Wirtschaft / Absurde Vorgaben helfen der Umwelt nicht
Dirk Spaniel

Die politische und mediale Debatte um neue Abgas-Grenzwerte und die Hysterie rund um CO2, Stickoxid- und Feinstaub-Emissionen schlägt weiterhin hohe Wellen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält Dieselfahrverbote für wahrscheinlich, die um ihre Regierungsmehrheit in Bayern und Hessen fürchtenden Unionspolitiker wiegeln ab. Dabei ist schon jetzt klar: Nicht nur der Diesel-, auch der Benzinmotor steht längst auf der politischen Abschlußliste.

Ab dem Jahr 2021 gelten in der EU neue Spritverbrauchstests (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure/WLTP) für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Das soll offiziell dazu dienen, die CO2-Emissionen weiter zu senken. Die Grenzwerte sind hierbei so niedrig gewählt, daß für Benzin-Pkw ein Verbrauch von rund vier Litern pro 100 Kilometern gelten wird. Das entspricht 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Diese Werte mögen unter Laborbedingungen und von Kleinwagen erfüllbar sein, nicht mehr aber von einer Mittelklasselimousine wie Passat oder Mondeo unter realen Testbedingungen. Das ist thermodynamisch nicht mehr machbar. Diese weitreichende Entscheidung wird gravierende Auswirkungen auf den Motorenbau und die Zulieferindustrie in Deutschland und die damit verbundenen Arbeitsplätze haben. Derzeit beschäftigt die Autoindustrie hierzulande über 450.000 Mitarbeiter. 300.000 sind bei den jeweiligen Zulieferern tätig.

Wie weit die WLTP-Verbrauchsangaben von den bisherigen Verbrauchstests (Neuer Europäischer Fahrzyklus/NEFZ) abweichen, zeigen Daten des Herstellers Opel. Dort werden für die 1,4-Liter-Ottomotoren des Astra bis zu 50 Prozent Mehrverbrauch erwartet. Das von der EU vorgegebene Ziel für den Flottenverbrauch ist demnach bei einem Astra mit 74 Kilowatt Leistung mit einem WLTP-Verbrauchswert von 124 bis 208 Gramm CO2 nicht erreichbar. Die große Spannweite ergibt sich aus der jeweils leichtesten bzw. schwersten Astra-Ausstattungsvariante. Derartige Entwicklungssprünge, die gemäß den EU-Vorgaben bis 2021 umgesetzt werden müßten, sind utopisch und zeugen entweder von technischem Unverständnis oder womöglich gänzlich anderen Absichten der Initiatoren in der EU.

Denn werden die EU-Verbrauchsvorgaben nicht eingehalten, dürfen die Autos dennoch verkauft und gefahren werden. Nur müssen die Autohersteller dann Strafen von 95 Euro je Gramm über dem Grenzwert zahlen. Und da auch VW, Daimler oder BMW ähnliche Probleme haben, können die Konzerne die Strafen durch höhere Preise an die Autokäufer weiterreichen.

Für den Astra 1.4 Benziner wäre dann eine Strafzahlung zwischen 2.755 Euro und 10.735 Euro fällig. Die EU-Strafen würden theoretisch zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung zugunsten von teuren elektrischen oder teilelektrischen Fahrzeugen (Plugin-Hybrid) führen – was offenbar so gewollt ist. Und ähnlich wie bei der Debatte um Stickoxide wird vor allem die deutsche Automobilindustrie betroffen sein. Sie produziert vorwiegend die nach dieser EU-Richtlinie benachteiligten Autos: Vom beliebtem SUV bis hin zu den schwäbischen oder bayrischen Premiumlimousinen.

Ein elektrischer Tesla ist kein Klima-Heilsbringer

Die AfD-Bundestagsfraktion hatte daher am 23. März einen Dringlichkeitsantrag gestellt, um in letzter Minute gegen diesen Vorschlag der EU-Kommission vorzugehen. Die Zeit drängte, da die Einspruchsfrist gegen die Verordnung zur Festlegung von Emissionsnormen für Pkw (Ratsdokumentnummer 1421/17) am 27. März ablief. Doch alle anderen Fraktionen, inklusive der oppositionellen FDP nahmen die absurde EU-Grenzwertverordnung hin. Die AfD wollte eine Subsidiaritätsrüge aussprechen. Es wäre die letzte Möglichkeit gewesen, um den EU-Grenzwerten einen Riegel vorzuschieben. Dies haben alle anderen Fraktionen einhellig abgelehnt.

Dies zeigte, daß sie entweder keine Ahnung oder keinerlei Interesse haben, den Wirtschaftsstandort Deutschland vor schädlicher Einflußnahme zu schützen. Zur Zeit ist nur das Opel-Werk in Eisenach in Gefahr. Wenn die EU-Verordnung so in Kraft tritt, bedeutet dies letztlich das Ende des Verbrennungsmotors in ganz Deutschland. Denn dann müssen die ersten Motorenwerke geschlossen werden. Zehntausende hochqualifizierte Mitarbeiter werden in die Arbeitslosigkeit geschickt. Die Autoindustrie ist in ihrer Substanz bedroht.

Die Bundesregierung argumentiert – wie FDP, Linke und Grüne – mit dem „Klimaschutz“ und „Klimagas“ CO2. Doch das ist angesichts der propagierten Alternative „Elektromobilität“ geradezu absurd: Derzeit stammen etwa 47 Prozent der Nettostromerzeugung in Deutschland aus CO2-relevanten Quellen (Kohle, Gas, Öl), hinzu kommen 13 Prozent Kernenergie. Die 27 Prozent Solar- und Windstrom sind licht- und wetterabhängig. Die neun Prozent Biomasse sind ökologisch umstritten.

Vergleicht man nun die Emissionen eines vollelektrischen Tesla S mit einem entsprechenden „fossilen“ Auto aus deutscher Produktion, ergibt sich kaum ein Unterschied in der Emission. Die kalifornische Elektrolimousine verbraucht im ideal gerechneten Fahrzyklus rund 17 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Mit Lade- und Leitungsverlusten ergibt sich ein Endenergiebedarf von 21 Kilowattstunden. Gemäß Umweltbundesamt liegt die CO2-Emission im Strommix bei 534 Gramm pro Kilowattstunde. Der Tesla kommt demnach auf 112 Gramm. Ein Mercedes E220 Diesel liegt bei 102 bis 112 Gramm CO2. Der Unterschied besteht einzig darin, daß der Tesla seinen „Kraftstoff“ indirekt aus fossiler Energie bezieht, während Mercedes dies direkt tut – via Dieselkraftstoff.

Die politisch gewollte Abschaffung des Verbrennungsmotors ist keine Maßnahme zur CO2-Reduktion. Sie zeigt, wie weit sich eine naive Argumentationskultur in unserem einst so fortschrittlichen Industriestaat durchgesetzt hat. Ideologie hilft weder den Bürgern noch der Wirtschaft und auch nicht der Umwelt. Gefragt sind Vernunft und eine gesunde Portion Skepsis gegenüber EU-Vorlagen.






Dr. Dirk Spaniel ist Motorenexperte und Ingenieur bei Daimler. Seit 2017 ist der 46jährige AfD-Bundestagsabgeordneter.

Aktuelle Stromerzeugung in Deutschland:  www.energy-charts.de





Motorschäden durch Downsizing

Trotz Dieselgate startet VW in den USA wieder durch: dank dem Atlas, einem siebensitzigen SUV für umgerechnet 26.350 Euro mit sechs Jahren Garantie. Diese dürfte selten beansprucht werden, denn der Atlas hat einen unverwüstlichen Sechszylinder-Benziner. In Deutschland werden die Motoren immer kleiner – und damit defektanfälliger. Bei den Gebrauchtwagen hat sich der Anteil der Motorschäden von 21,7 auf 22,9 Prozent erhöht. Bei den Neuwagenanschlußgarantien liegen Kraftstoffanlage und Turbolader mit 20,2 Prozent (ein Plus von 7,3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr) auf dem ersten Platz. Das ergab eine Auswertung der Car-Garantie Versicherungs-AG zur Schadenverteilung. „Downsizing und das Streben nach immer höherer Effizienz, also Verringerung des Hubraums und der Zylinderzahl, gepaart mit verstärktem Einsatz von Turboladern, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf die Lebensdauer der Triebwerke“, so Thomas Schuster von der Sachverständigenorganisation KÜS in der FAZ. (fis)