© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Sich der Verantwortung stellen
Walberberg: Eine Gesprächsrunde in Bonn diskutiert über die Lage der christlichen Presse
Björn Harms

Sinkende Auflagen, eine immer älter werdende Leserschaft – die Probleme des herkömmlichen Zeitungsmarktes machen auch vor den christlichen Presseerzeugnissen keinen Halt. Begründet sich dies auf die Qualität der klerikalen Zeitungen oder liegen die Probleme gar bei der Kirche selbst? An den Kirchenoberen jedenfalls wird beim medienethischen Kolloquium des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg (IfG) am 1. Mai in Bonn kein gutes Haar gelassen. „Zur Abtreibungsdebatte von Jens Spahn kam kein Wort von der katholischen Kirche, genauso als Horst Seehofer bemerkte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland“, bemängelt der geladene Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger. 

„Mahnende Worte muß man sich leisten können“

Es sei klar erkennbar, daß öffentliche Kontroversen gescheut werden. Die jüngsten Äußerungen von Kardinal Reinhard Marx in der Kreuz-Debatte bezeichnet er verächtlich als „Realsatire“. Sie seien „Ausdruck des unglaublichen Opportunismus in der katholischen Kirche“. Der Applaus sei „diesen Leuten wichtiger als die eigene Basis“, betont der emeritierte Professor. Statt sich gegen Negativmeldungen über die Kirche in den Medien öffentlichkeitswirksam zu positionieren, säßen viele Kirchenvertreter stattdessen lieber in einer Art „Schweigefalle“. Bei den rund 250 Gästen trifft diese scharfe Kritik auf breite Zustimmung. Kepplinger bietet aber auch Lösungen an. Um den Konformitätsdruck zu durchbrechen, müsse es „weniger Sanftmut, sondern mehr Mut“ geben. Selbstbewußte Repräsentanten sollten ihr Schweigen brechen. Hierzu bedürfte es auch einer christlichen Presse, die sich ihrer Verantwortung bewußt sein müsse.

Einer ihrer Vertreter – Oliver Maksan, Chef der katholischen Tagespost – sitzt neben ihm auf dem Podium und nickt zustimmend. In seinen Ausführungen attestiert er der christlichen Presse neben einem quantitaven Niedergang vor allem auch qualitative Probleme. Denn rückläufige Leserzahlen sind beileibe nichts Neues. Während noch vor 20 Jahren die Auflage der Bistumszeitungen rund 1,2 Millionen betrug, liegt sie heute bei unter 700.000. Das qualitative Problem äußert sich dem 37jährigen zufolge vor allem im Konflikt der romtreuen Stimmen gegenüber der reformorientierten Mehrheit. Diese Mehrheit sei lediglich an „einer maximalen Anschlußmöglichkeit an den Mainstream“ interessiert. Es stehe zwar „katholisch drauf, aber nicht drin“. Dazu habe es in der Vergangenheit vielen Blättern an inhaltlichen Reizthemen gemangelt – oder wie Maksan es am Abgesang einer prominenten katholischen Zeitung präzisiert: „Der Rheinische Merkur ist schlicht an seiner eigenen Langeweile zugrunde gegangen.“ 

Die Tagespost hingegen konnte der seit Juni 2016 im Amt des Chefredakteurs sitzende Maksan mit Hilfe einer inhaltlichen Neuausrichtung wieder in ruhigere Fahrwasser manövrieren. So vermeldete das Blatt laut neuesten IVW-Zahlen erstmals seit 16 Jahren eine Steigerung ihrer Auflage über mehr als zwei Quartale. Sie wuchs um 6,5 Prozent auf 9.358 Exemplare. Doch der Druck sei immer noch hoch, betont Maksan. Der Erhalt der Zeitung sei vor allem dem „großen Engagement der Leserschaft“ zu verdanken. 

Eine Lobpreisung, die auch sein Kollege Matthias Pankau, Chef der evangelischen Nachrichtenagentur idea, in seinem Vortrag aufgreift. „Die Nähe zu den Lesern wird immer wichtiger“, sagt der 41jährige. „Diese Familie gilt es zu pflegen.“ Ohnehin sei nach den Ereignissen im vergangenen Jahr die Fortsetzung von idea nur mit Hilfe von Leserspenden möglich gewesen. Im November hatte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland entschieden, idea den sonst jährlichen Zuschuß von 132.000 Euro für 2018 auf 90.000 und 2019 auf 60.000 Euro zu kürzen. Ab 2020 soll er ganz gestrichen werden. Die Verärgerung war dementsprechend groß. Doch Pankau nimmt es mittlerweile gelassen und verweist auf die Josefsgeschichte: „Ihr gedachtet, es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“

Etwas unorthodox mutet sein Vorschlag für eine Bewertung von Gottesdiensten an. Christliche Zeitungen sollten eine Art „Guide-Michelin für Predigten“ schaffen. Erwartet den Besucher eine Hochmesse oder eher eine schlichte Predigt? So könnte laut Pankau auch der Druck auf die Kirchenvertreter steigen. Denn oftmals mute der pastorale Vortrag wie eine Rede auf dem Grünen-Parteitag an. So fokussiert sich die Kritik an diesem Abend erneut auf die Kirchenvertreter. Nachdenkliche Worte kommen zum Abschluß noch einmal vom Vorsitzenden des IfG, Pater Wolfgang Ockenfels. Die innerkirchliche Kritik an den Zuständen hänge oftmals an der finanziellen Unabhängigkeit. Dem könnten sich auch die meisten christlichen Blätter nicht verschließen. „Mahnende Worte muß man sich leisten können.“

Matthias Pankau (l.), Wolfgang Ockenfels, Hans Mathias Kepplinger, Hariolf Spindler und Oliver Maksan: Diskutieren vor 250 Gästen auf dem Podium