© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Unglücklicherweise gegen die Besten
Zur Neuauflage von Klaus Hammels „Italienkrieg 1943 bis 1945“: Die Blutige „Nebenfront“ im Süden
Fritz Zwicknagl

Dem jungen Generalstabsnachwuchs der Bundeswehr, auf der Suche nach Qualität in der Kriegsgeschichte, gab man zwei Faustregeln mit: Hat das Werk gute Karten, dann nimm es, auch wenn du den Verfasser nicht kennst. Und hast du bei Neuerscheinungen die Wahl zwischen einem deutschen und einem britischen Autor, nimm den Briten, er ist besser lesbar – und fairer!

In diesem Fall kann man ruhig zum deutschen Werk greifen. Es hat eine für den heutigen Büchermarkt einmalig gute Ausstattung von 25 herausnehmbaren Kartenskizzen, liest sich geradezu spannend und bemüht sich überzeugend um ein ausgewogenens Urteil. Der Verfasser ist ehemaliger Offizier der Fallschirmtruppe und Generalstabsoffizier. Er beherrscht nicht nur souverän das Handwerkszeug des Historikers, sondern führt den Leser auch als Fachmann urteilssicher auf allen Führungsebenen durch das Kriegsgeschehen.

Mit seiner fast 500seitigen Gesamtdarstellung des Italienkrieges hat Klaus Hammel das Standardwerk zum Thema geschaffen. Die erste Auflage von 2012 war schnell vergriffen. Nun liegt die neu überarbeitete und erweiterte zweite Auflage vor. Die Darstellung Hammels umfaßt das gesamte Kriegsgeschehen in Italien. Dennoch nehmen die drei Cassino-Schlachten, wie der Untertitel verspricht, besonderen Raum ein. Zu Recht, denn das monatelange Halten der Gustav-Linie bis Ende Mai 1944 war der Höhe- und Wendepunkt der Kämpfe, die in ihrer Härte denen im Osten in nichts nachstanden. Danach war Italien endgültige, wenn auch weiter verlustreiche „Nebenfront“. 

Die Erfahrungen in Italien nutzten der US-Armee

Die US-Seite wollte zunächst gar keine Verzettelung ihrer Kräfte im Mittelmeerraum, sondern die frühestmögliche Invasion in Frankreich 1943. Doch Churchill konnte die Interessen des Empire bei Roosevelt durchsetzen. Im nachhinein kann man vermuten, daß die selbstbewußten, aber recht „grünen“, US-Streitkräfte ohne die bitteren mediterranen Lernprozesse in der Normandie gescheitert wären.

Aus den vielen herangezogenen alliierten Zeugnissen spricht uneingeschränkter Respekt für den deutschen Gegner. Dies gilt für die freimütig anerkannte taktische Führungsleistung, die „immer wieder in Erstaunen versetzte“, aber auch für die Tapferkeit und Fairneß im Kampf. „Unglücklicherweise kämpften wir gegen die besten Soldaten der Welt. Was für Männer …“ So der britische General Harold Alexander zum Abwehrerfolg der Fallschirmjäger in Cassino. 

Ausführlich belegt Hammel die deutschen Anstrengungen, das italienische kulturelle Erbe zu schützen und berühmte historische Stätten bei Kampfhandlungen auszusparen. Die „Offene Stadt“ Rom und das Kloster Monte Cassino sind nur die spektakulärsten Fälle. Bezeichnend, daß die alliierte Seite keinerlei Interesse an solchen Absprachen hatte und die Vermittlungsversuche des Vatikans prinzipiell unbeantwortet ließ.

Hammel leugnet nicht, daß es gerade anfangs, nach der Entwaffnung der italienischen Armee, zu „rechtswidrigen und ethisch nicht vertretbaren Handlungen“ gegenüber der Bevölkerung gekommen ist: Die Verschleppung von Hunderttausenden von italienischen Soldaten als Arbeitskräfte mit dem Status von „Militärinternierten“ nach Deutschland und die Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur, rücksichtslose Requirierungen und ebenso rücksichtloses Brechen jeden Widerstandes haben das Bild Deutschlands nachhaltig verdunkelt.

Während sich die Frontkämpfer längst in gegenseitigem Respekt die Hände gereicht haben, ist der Partisanenkrieg noch immer eine Wunde, die nicht verheilen darf! Ein neu eingefügtes Kapitel befaßt sich mit dem schillernden Phänomen der „Resistenza“ und antwortet auf die Ergebnisse der deutsch-italienischen Historikerkommission. Schon im Auftrag des damaligen Außenministers Guido Westerwelle hieß es, daß es „zu keiner grundsätzlichen Revision gültiger Geschichtsdeutungen oder gar zu einer Relativierung von deutschen Kriegsverbrechen in Italien“ kommen dürfe. Es waren die einschlägigen Autoren auf beiden Seiten, die diesen geschichtspolitischen Auftrag ohne erkennbar tieferes Forschungsinteresse erfüllt haben.

In Wirklichkeit war der Kampf gegen die Deutschen nur ein Teil des Partisanenkrieges. Der weit blutigere Teil war ein Bürgerkrieg der überwiegend kommunistischen Gruppen gegen Faschisten, „Besitzbürgertum und Großagrarier“. Über alle Vorgänge legte sich nach Kriegsende eine Generalamnestie. Mit dem Mythos der „Resistenza“ aber wurde der Grundstein für das Nachkriegs-Italien und seine Politiker-Karrieren gelegt.

Das macht es so schwierig, wie Hammel überzeugend darstellt, zu einem unbefangenen Urteil zu gelangen. Die Verklärung der „Resistenza“ und die Dämonisierung der deutschen Besatzer stützen die „italienische Lebenslüge“, die bislang nicht angetastet werden durfte – schon gar nicht von deutscher Seite! 

Das Werk ist dem Fachmann wie dem interessierten Laien zu empfehlen, ganz besonders aber dem Soldaten der Bundeswehr, der mit solchen Einblicken herausklettern kann aus dem geistigen Laufstall ihrer Traditionserlasse. 






Fritz Zwicknagl, Oberst a.D., war u. a. Leiter von Generalstabslehrgängen des Heeres.

Klaus Hammel: Der Krieg in Italien 1943-45. Brennpunkt Cassino-Schlachten. 2., erweiterte Auflage. Osning Verlag, Bielefeld 2017, gebunden, 488 Seiten, Abbildungen, 34 Euro