© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Knapp daneben
Akademische Vollidioten
Karl Heinzen

Cristina Cifuentes hat dem öffentlichen Druck nachgegeben und ist von ihrem Amt als Präsidentin der Madrider Regionalregierung zurückgetreten. Ende März war der Vorwurf laut geworden, daß sie sich ihren juristischen Mastertitel mit gefälschten Unterschriften erschlichen habe. Wenige Tage später wurden die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die konservative Politikerin aufgenommen. Auf ihren akademischen Grad hat sie bereits freiwillig verzichtet.

An Fällen, in denen Politiker darüber stolperten, daß sie Hochschulkarrieren erfunden oder in Dissertationen Plagiat betrieben hatten, war in Europa in den vergangenen Jahren kein Mangel. Auch die deutsche Öffentlichkeit durfte sich an Skandalen dieser Art erfreuen. Man amüsierte sich über die Eitelkeit der Betroffenen und ließ die Sektkorken knallen, wenn sie endlich gestürzt waren. Zweifel am Bildungssystem, das sie gefoppt hatten, kamen dabei nicht auf. 

Fast alle jungen Spanier entscheiden sich für ein Studium, anstatt etwas Nützliches zu lernen.

In Spanien jedoch scheint ein grundsätzliches Mißtrauen gegen den Wissenschaftsbetrieb angebracht zu sein.Dies ist nicht erst seit dem Fall Cifuentes evident. Bereits 2016 ließ eine Umfrage aufhorchen, der zufolge jeder zweite spanische Akademiker persönlich erlebt habe, daß Kommilitonen aufgrund korrupter Machenschaften begünstigt wurden. Vermutlich erklärt dies auch, warum es so viele deutsche Studenten auf die Iberische Halbinsel zieht. Die Anforderungen der spanischen Universitäten sind gering, und um einen Studienabschluß zu erzielen, muß man nicht lernen, sondern braucht nur zu schummeln oder den richtigen zu schmieren. Zudem ist der Freizeitwert hoch. Da die meisten spanischen Jugendlichen keinen Job haben, der sie dazu zwänge, am nächsten Morgen früh aufzustehen, kann man mit ihnen jede Nacht bedenkenlos durchfeiern. 

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit hat ihren Grund. Fast alle jungen Spanier entscheiden sich für ein Studium, anstatt etwas Nützliches zu lernen. Für Unternehmen sind ihre akademischen Titel daher ein Warnsignal: Vorsicht, hier kommt ein arroganter Vollidiot, der nichts weiß und nichts kann, aber darin geübt ist, sich vor Leistung zu drücken.