© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Wider den unbayerischen Geist
CSU gegen AfD: Internes Papier spricht von „braunem Schmutz“ / Erika Steinbach gibt Orden zurück
Jörg Kürschner

Knapp fünf Monate vor der bayerischen Landtagswahl deutet sich eine Schlammschlacht zwischen der alleinregierenden CSU und der AfD an, die in Umfragen seit über einem Jahr stabil zweistellige Werte erreicht. In dem Strategiepapier von CSU-Generalsekretär Markus Blume wird die AfD wörtlich als „brauner Schmutz“ bezeichnet, der in Bayern nichts verloren habe. Ausdrücklich heißt es, „die AfD ist ein Feind von allem, für das Bayern steht“. Mit diesen unmäßigen Angriffen auf die „Feinde Bayerns“ hat die CSU ihren „harten Kampfkurs gegen die AfD“ eingeleitet, von dem sie sich am 14. Oktober den Erhalt ihrer absoluten Mehrheit der Mandate verspricht. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei nur 41 Prozent, vor fünf Jahren waren es noch 47,7 Prozent. 

Organklage wegen    Grenzöffnung eingereicht

Der „harte Kampfkurs“ des neuen Ministerpräsidenten Markus Söder ist begründet im Vorgehen der AfD-Bundestagsfraktion, die sich acht Monate nach ihrem erstmaligen Einzug ins Parlament zunehmend professionalisiert hat; ungeachtet der anhaltenden Ausgrenzung der übrigen fünf Fraktionen. So hat die Fraktionsführung bereits Mitte April fernab der Öffentlichkeit vor dem Bundesverfassungsgericht Organklage gegen die Bundesregierung eingereicht. 

Unter dem Aktenzeichen 2BvE 1/18 wird das Gericht in Karlsruhe prüfen, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch ihre eigenmächtige Öffnung der Grenzen im September 2015 die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte des Bundestages verletzt hat. Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann bestätigte auf Fragen der JUNGEN FREIHEIT, der Abgeordnete Stephan Brandner werde Einzelheiten der Klage in diesen Tagen erläutern. Der Thüringer Rechtsanwalt hatte die Klage bereits in einem Video kurz erwähnt.

Rückblende. Im Januar 2016, wenige Monate nach der Grenzöffnung, legte der renommierte Verfassungsrechtler Udo Di Fabio ein Gutachten vor, das eine schallende Ohrfeige für die Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel darstellte. In seiner Expertise kam der ehemalige Verfassungsrichter zu dem Schluß, daß der Bund seine Pflicht zur effektiven Grenzsicherung vernachlässigt hat. 

Seine Empfehlung: Die Regierung muß die Grenzsicherung wieder verschärfen. Die Bundesregierung habe mit ihrer Weigerung, die Landesgrenzen wieder umfassend zu kontrollieren, Verfassungsrecht gebrochen. Pikant ist, daß der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer das Gutachten in Auftrag gegeben hatte. Dessen zutreffendes Resümee: „Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“ Solche Formulierungen verwendete die CSU bislang für Diktaturen wie etwa die DDR. Wer nun gedacht hatte, nach diesem Befund werde die Landesregierung Klage gegen die Bundesregierung erheben, um die Herrschaft des Unrechts zu beenden, wurde seinerzeit enttäuscht. Einmal mehr machte der Spruch die Runde, „Drehhofer“ sei als Tiger in München gestartet und als Bettvorleger in Berlin gelandet.

Mittlerweile gehört Seehofer als Innenminister der Regierung Merkel an. Das Gutachten Di Fabios ist längst in der Ablage der bayerischen Staatskanzlei verschwunden und taugt allenfalls noch angehenden Jurastudenten als Beispiel für eine vertane Chance der Politik. Mit ihrer Klage führt die AfD-Bundestagsfraktion jetzt fort, was sich die CSU-Regierung aus Rücksichtnahme auf die Berliner Große Koalition nicht getraut hat. Das höchste deutsche Gericht prüft, ob Merkels Flüchtlingspolitik mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Damit erklären sich die Nervosität der CSU und ihre Angriffe gegen die AfD. „Bayerisch sein heißt vor allem anständig sein“, entgegnete der Abgeordnete Stephan Protschka aus dem Wahlkreis Rottal-Inn. Der 40jährige weiß, wovon er redet. Protschka hat 17 Jahre der Jungen Union Bayerns angehört. Wenn der politische Gegner als „brauner Schmutz“ diffamiert werde, lasse dies tief blicken. 

Weitaus stärker als die Replik ihres einstigen Mitstreiters dürfte die CSU aber der spektakuläre Schritt der langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach getroffen haben. Jahrelang war die einstige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen von der CSU als standhafte Konservative in der nach links driftenden Schwesterpartei hofiert worden. In einem Brief an Söder hat Steinbach jetzt den Bayerischen Verdienstorden zurückgegeben. Aus Protest gegen die Anwürfe der CSU. „Wer bezogen auf die AfD verkündet ‘Brauner Schmutz hat in Bayern nichts verloren’, der unterbietet sein eigenes Niveau und stigmatisiert im Stil von Nazi-Jargon die Überzeugung sehr vieler Wähler, die sich aus Sorge um Deutschland der AfD zugewandt haben“, schrieb Steinbach, die Anfang 2017 aus der CDU ausgetreten war und inzwischen die AfD unterstützt. 

Und die in vielen politischen Auseinandersetzungen erprobte Steinbach stellte sich sogleich auf den angekündigten „harten Kampfkurs“ der CSU ein. Gleichzeitig habe die CSU keine Probleme damit, wenn der von ihr gestellte Ministerpräsident die Grünen-Politikerin Claudia Roth mit dem Bayerischen Verdienstorden auszeichne, obwohl diese auf einer Demonstration mitgelaufen sei, auf der ein Transparent mit der Aufschrift „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ gezeigt wurde.