© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

„So einen Fall kennt hier niemand“
Neuregelung für Familiennachzug: Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus haben keinen Rechtsanspruch / Seehofer schließt Mißbrauch aus
Christian Vollradt

Die Schlagzeile sorgte für Furore: „Familiennachzug auch für Gefährder“. So sehe es der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Neuregelung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen mit eingeschränktem (subsidiärem) Schutzstatus vor. Tatsächlich heißt es darin, daß „in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden (können), wenn sich derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll, gegenüber den zuständigen Behörden offenbart und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt“. Unionskreise machten das SPD-geführte Justizministerium für diesen Zusatz verantwortlich. „Auf Druck von Barley wurde eine erweiterte Ergänzung für reumütige Gefährder aufgenommen, die verfassungsrechtlich nicht zwingend ist“, kritisierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor. 

Für Innenminister Horst Seehofer ein Grund mehr, noch am Tag der Kabinettssitzung mit einer Pressekonferenz dem maßgeblich in seinem Haus entstandenen Gesetzentwurf einen ganz anderen Dreh zu geben: „Einen Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte gibt es nicht mehr“, betonte der Ressortchef. Aus humanitären Gründen werde ab August pro Monat bis zu tausend Angehörigen dieser Gruppe der Nachzug nach Deutschland gewährt. Wegen möglicher Startschwierigkeiten bei der Bearbeitung der Anträge gelte vom 1. August bis zum 31. Dezember eine Ausnahmeregelung für insgesamt 5.000 Visa; nicht ausgeschöpfte Kontingente können dadurch auf Folgemonate übertragen werden, ab dem 1. Januar 2019 ist dies nicht mehr möglich.

Ein Mißbrauch sei nahezu ausgeschlossen: So müsse eine Ehe schon vor der Flucht geschlossen worden sein. Weitere Einschränkungen sollen verhindern, daß Eltern ihre minderjährigen Kinder auf eine womöglich lebensgefährliche Flucht schicken, um dann per Familiennachzug folgen zu können. Ausgeschlossen vom Familiennachzug für eingeschränkt anerkannte Flüchtlinge seien zudem alle, die schwere Straftaten begangen hätten oder Gefährder seien. 

Ja, die eingangs erwähnte Ergänzung gebe es, bestätigt der Innenminister. Doch strenggenommen sei ein solcher „Gefährder“ eigentlich keiner mehr, sofern er die Kriterien erfülle. „So einen Fall kennt niemand.“ Und dann müßte es der Betreffende auf die Liste der prioritär behandelten Fälle schaffen. Die Diskussion sei also „ziemlich abstrakt“, meint Seehofer beschwichtigend. Vor allem aber gelte, und das sei das wichtigste: „Am Ende entscheidet der Innenminister – also ich!“