© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Eskalation mit Ansage
Nahost: Die 70-Jahr-Feier Israels und die US-Botschaftsverlegung treiben die Palästinenser auf die Barrikaden
Alfred König

Die Bilanz der Proteste zur Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem: Bis zum Redaktionsschluß dieser Ausgabe gab es  nach palästinensischen Angaben 59 Tote und 2.771 Verletzte, wovon mehr als die Hälfte Schußverletzungen erlitten. Unter den Opfern sei auch ein Baby, das am vom israelischen Militär eingesetzten Tränengas erstickt sei. 

Rund 35.000 Personen hatten anläßlich des 70. Jahrestags der Gründung des Staates Israels und der damit verbundenen Vertreibung von Millionen Palästinensern beim „Marsch der Rückkehr“ an den israelischen Grenzanlagen im Gaza-Streifen protestiert. Tausende  versuchten, den Grenzzaun zu Israel zu stürmen. Zudem bewarfen die Randalierer israelische Soldaten mit Steinen, Brandbomben und steckten Autoreifen in Brand. Israel antwortete mit Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition. Gleichzeitig wurden „Terrorziele“ der Hamas im Gaza-Streifen bombardiert. 

Präsident Trump gibt Israel Rückendeckung 

Neben dem 70. Jahrestag der Vertreibung, der sogenannten  Nakba, war auch die Eröffnung der US-Botschaft für die Heftigkeit der Proteste verantwortlich. Die Palästinenser beanspruchen Ostjerusalem als Hauptstadt eines neu zu gründenden palästinensischen Staates. So war die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt und die Umsetzung des vom US-Kongreß bereits 1995 beschlossenen „Jerusalem Embassy Acts“ auch weltweit auf Widerspruch gestoßen. Das Hauptargument, das von US-Präsident Donald Trump zurückgewiesen wurde, war, daß ein derartiger Schritt die Friedensbemühungen nicht nur zurückwerfe, sondern vielmehr sogar torpediere. 

Während die USA und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Schuld an der jetzigen Eskalation alleine der Hamas und ihrem Präsidenten Mahmud Abbas gaben und angesichts „beispielloser Gewalt“ der Palästinenser, die Soldaten mit Brandbomben und Sprengsätzen beworfen hätten, von „Selbstverteidigung“ sprachen, sah die Welt das anders. Berlin zeigte sich „bestürzt und in großer Sorge“. Deutlicher wurde Frankreichs Präsident Macron, der die „Gewalt der israelischen Streitkräfte gegen die Demonstranten“ verurteilte und ankündigte, darüber mit Netanjahu sprechen zu wollen. Der türkische Präsident Recep T. Erdogan, sprach gar von einem „Völkermord“ und kündigte eine Massendemonstration gegen das israelische Vorgehen an. Gleichzeitig rief die Türkei ihren Botschafter aus Israel und den USA zurück und erklärte eine dreitägige Staatstrauer für die getöteten Palästinenser. 

US-Präsident Donald Trump, der bei der Botschafts-Eröffnung nicht vor Ort war, sah die Verantwortung für die Gewalteskalation dagegen ausschließlich bei der seit 2007 im Gaza-Streifen herrschenden Hamas. Von daher sei es auch nicht nötig, Israel zur Zurückhaltung aufzurufen, so Trumps Sprecher Raj Shah.