© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Patriotischer Blick auf die Wirtschaft
Ökonomiedebatte: In Dresden hat sich eine neue konservative Denkfabrik gegründet / Mit nachbarschaftlicher Marktwirtschaft gegen den Globalkapitalismus?
Bastian Behrens

Felix Menzel wurde 2004 als Gründer des Chemnitzer Jugendmagazins Blaue Narzisse bekannt, das nicht wie üblich linksgrün, sondern eher rechtskonservativ ausgerichtet ist. Im April hat der 32jährige mit „Recherche Dresden“ eine neue „Denkfabrik für Wirtschaftskultur“ in der Elbmetropole gegründet. Erstes Produkt ist das Magazin Recherche D, dessen Zielgruppe die „produktiven, patriotischen Kräfte“ seien, so der Chefredakteur im Vorwort zur ersten Ausgabe.

Zusätzlich will der studierte Medienwissenschaftler Veranstaltungen organisieren, Recherche- und Beratungsaufträge sollen vermittelt werden. Seine ökonomischen Alternativen sucht Recherche D „bei den kleinen, vielfältigen Ansätzen“, ohne sich parteipolitisch festzulegen: „Wir wollen ökologischer als die Grünen sein, sozialer als die SPD, konservativer als die CDU, freiheitlicher als die FDP und alternativer als die AfD.“ Patriotismus, Nachhaltigkeit, ökonomische Vernunft und persönlich erlebbare Solidarität müßten im Alltag verankert werden, so Menzel. Damit ließe sich eine Marktlücke schließen, denn ökonomische Themen werden in Deutschland bislang meist von linken bis wirtschaftsliberalen Thinktanks beackert.

Was Menzel „Infobrief“ nennt, ist mit seinen 48 werbefreien Hochglanzseiten ein professionelles Magazin. In die drei Rubriken Nation, Fundament und Betrieb gegliedert, geht es um Themen wie Deutschland als Glasfaser-Entwicklungsland, Wirtschaft und Gerechtigkeit, plurale Ökonomik, Hannah Arendt als Sozialdemokratin, Pflanzenabfall statt Plastikmüll und die Zukunft des Obst- und Gemüsehandels. Doch der Leser sucht bei der Lektüre nach dem roten Faden. Auch Menzels Beitrag „Vom Globalkapitalismus zur nachbarschaftlichen Marktwirtschaft“ bringt nur wenig Licht ins Dunkel um die Frage, welches wirtschaftswissenschaftliche Konzept grundlegend für die Arbeit der Denkfabrik und die Blattlinie von Recherche D sein soll.

Der Erfolg wird davon abhängen, ob es gelingt, diese „patriotische Perspektive“, aus der sie ökonomische Fragestellungen angehen und Themen präsentieren wollen, zu entwickeln und überzeugend umzusetzen. Was wären mögliche theoretische Ansätze? Die Theorie der Nachhaltigkeit muß nicht linksgrün aufgeladen werden. Die Ursprünge sind urkonservativ: es ging dem Oberberghauptmann des Erzgebirges, Hans Carl von Carlowitz, im 18. Jahrhundert um den Erhalt des sächsischen Walds als natürliche Ressourcenquelle. Gedacht wurde und wird in Generationen. Die Grünen hatten bei ihrer Gründung einen konservativen Flügel. Es gibt Managementtheorien, die der vorherrschenden Effizienz- eine alternative Nachhaltigkeitsrationalität zur Seite stellen. Gemeinschaften, Gesellschaften und Organisationen jeder Art sollen ihre Ressourcen demnach nicht nur effizient verbrauchen, sondern die Ressourcenquellen auch erhalten. Was könnte konservativer sein?

Ein Beirat von praxisorientierten Wissenschaftlern, mittelständischen Unternehmern und „patriotischen“ Wirtschaftspolitikern könnte für Menzels Mannschaft bei der Formulierung ihrer Perspektive und deren praktischer Anwendung wohl durchaus hilfreich sein.

Verein Journalismus und Wissenschaft: recherche-dresden.de

Kontakt: Recherche D, Verein Journalismus und Wissenschaft Chemnitz e.V., Frankenberger Str. 136, 09131 Chemnitz. Ein Jahresabo des Magazins kostet 26 Euro.