© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Neoliberaler Starideologe
Eine Aufsatzsammlung zu Michel Foucault
Dirk Glaser

Als Michel Foucault 1984 an Aids starb, rühmten manche Nachrufe ihn als bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts, mindestens aber „unserer Zeit“. Aber was soll man von einem marxistisch inspirierten Soziologen halten, der sich intensiv mit der abendländischen Geschichte des „Überwachens und Strafens“, mit düsteren Kehrseiten der Zivilisation beschäftigt hatte, und der in seiner letzten Lebensphase auch deshalb zum neoliberalen Ideologen wurde, weil er glaubte, daß Gefängnisse und andere „repressive“ Institutionen in der schönen neuen Welt „befreiter“ Märkte einfach verschwinden?

Diese vielen seiner Verehrer peinliche späte Liaison des einstigen orthodoxen Kommunisten mit den Heilslehrern der Globalisierung hat Daniel Zamora (Universität Brüssel) zum Thema eines Sammelbands gemacht, der vor allem US-Politologen den Disput mit einem maßlos überschätzten Vordenker von „Multikulti“ und „Diversity“ ermöglicht, um die Dekonstruktion des manischen De-konstrukteurs einzuleiten.

Ob die Entzauberung eine Chance hat gegen die akademische Großmacht, zu der Foucault nach seinem Tod gerade an US-Universitäten aufstieg, ist eher unwahrscheinlich. Zuviel Geld ist in die Institutionalisierung seiner Theorien über „Patriarchat, Phallokratie, Rassismus, Sexismus“ geflossen, zu viele Karrieren hängen an der Vermittlung seines „Evangeliums des Ungehorsams“, das die Diktatur der „Politischen Korrektheit“ errichten half. Und vor allem: Foucaults Kritik der „Bio-Macht“ hat sich schon zu Lebzeiten Investmentbankern und Konzernlenkern  als ideale Legitimationsstrategie empfohlen. Dies früh herausgearbeitet zu haben, ist das Verdienst des Politologen Guido Giacomo Preparata, dessen 2007 vorgelegte „The Ideology of Tyranny“ 2015 endlich auch in deutscher Übersetzung erschienen ist (JF 48/15).

Wie Preparata, jedoch analytisch weniger streng und immer noch von Respekt vor dem Foucault-Nimbus getragen, kommen auch Zamoras Beiträger zu dem Ergebnis, daß es die Kultivierung des Abweichlertums unendlich zu vermehrender „Minderheiten“ war, die das neoliberale Herrschaftssystem stabilisiert, indem es soziale Veränderung durch den politisch harmlosen Abbau von „Diskriminierungen“ simuliert.

Daniel Zamora; Michael C. Behrent (Hrsg.): Foucault and Neoliberalism. Polity Press, Cambridge (UK) 2016, broschiert, 195 Seiten, 15,49 Euro