© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Aufgeschnappt
Starke Frauen
Matthias Bäkermann

Mutter Theresa ist es nicht, die da gewürdigt wird, könnte es der Beschreibung nach aber sein: „Eigennutz lag ihr ebenso fern wie berechnender Zynismus“, schwelgt die Erinnerung an diese „starke Frau“, die „aus tiefer Überzeugung ihr Leben gewidmet hat“, um einer „besseren Sache zu dienen“. 

Die Absicht, mit einer Broschüre über „Starke Frauen in Steglitz-Zehlendorf“ den „traditionell männlichen Blick in der Historie zu relativieren“, hat bei Hildegard Josten, der Frauenbeauftragten dieses Bezirks im Berliner Südwesten, wohl etwas die historische Urteilskraft vernebelt. Denn die Mitte Mai in einer Auflag von 100 Stück erschienene Druckschrift über 23 prominente Einwohnerinnen preist mit diesen Worten die berüchtigte DDR-Richterin Hilde Benjamin (1902–1989), die wegen vieler gnadenloser Urteile und ihrer Schauprozesse im Stile des NS-Richters Roland Freisler auch als „Bluthilde“ bekannt war. Zuvor hatte sie einige Jahre in Steglitz gelebt. Nachdem der FDP-Politiker Kay Erhardt den Artikel öffentlich machte, wurde das über ein Arbeitslosenprojekt finanzierte Heft zum Politikum. Auch wenn Volker Semler, Chef der SPD-Bezirksverordneten, relativierte, „es geht um starke Frauen, nicht um eine Ehrung“, wird die Broschüre mit offiziellem Stadtteilwappen nun doch aussortiert.