© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Der Schein finanziert das Sein
Sozialbetrug: Mafiöse Banden holen Armutseinwanderer aus Osteuropa / Aufstocker nutzen Gesetzeslücke
Ronald Berthold

Die Zuwanderung nimmt die Kommunen von verschiedenen Seiten in die Zange. Nachdem neben der Asylkrise nun auch die europäische Freizügigkeit zu einem Faß ohne Boden zu werden droht, verlangt der Städte- und Gemeindetag Gesetzesänderungen. Es sind vor allem Migranten aus Bulgarien und Rumänien, die die Sozialkassen vieler Kommunen belasten. Die Menschen – meist Sinti und Roma – wenden dabei einen legalen Trick an. Die Polizei sieht aber auch „mafiöse Strukturen“.

Als die Freizügigkeit vor vier Jahren auch für Bewohner osteuropäischer Mitgliedsstaaten durchgesetzt wurde, versicherte der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU), daß dies „eine Zuwanderung in die Arbeitsmärkte, nicht aber in die Sozialsysteme“ bedeuten würde. Er widersprach damit außerparlamentarischen Kritikern, die genau das Desaster vorhergesagt hatten, das seit Jahren besteht, nun immer größer wird und die Gemeinden an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit führt.

Verträge für Arbeit, die es nicht gibt

Denn um an deutsche Sozialhilfe zu gelangen, bedarf es für EU-Zuwanderer lediglich eines Arbeitsverhältnisses. Wieviel der Migrant arbeitet und vor allem damit verdient, spielt keine Rolle. So unterschreiben viele einen Arbeitsvertrag für eine geringfügige Beschäftigung. Oft sind es offiziell nur zwei bis drei Stunden, die die Rumänen und Bulgaren arbeiten gehen. Zuwenig zum Leben, aber genug, um vollen Zugriff auf die Sozialkassen zu erhalten. Sie sind offiziell „Aufstocker“ und leben fast nur von staatlicher Alimentierung und Kindergeld.

Das spricht sich herum: In den vergangenen beiden Jahren hat sich die Roma-Gemeinde in vielen Städten verdoppelt bis verdreifacht. In Magdeburg zum Beispiel erhalten nun 300 Prozent mehr Bulgaren und Rumänen staatliche Unterstützung als noch 2015. Oberbürgermeister Lutz Trümper: „Wenn jemand arbeitet und sein Geld verdient, ist das okay und rechtskonform, aber nicht gut.“ Der Sozialdemokrat fordert: „Man muß sein Geld überwiegend selbst verdienen und nicht nur 300 Euro.“ Seine Stadt könne aber aufgrund der Gesetzeslage nichts dagegen tun: „Wir müssen das Sozialgeld auszahlen.“

Exemplarisch nennt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, auch Wilhelmshaven, Duisburg, Essen. In Süddeutschland seien viele mittelgroße Städte betroffen. Immer mehr Gemeinden enttabuisieren das bisher politisch korrekte Thema, weil sie finanziell überlastet sind. Auch Mönchengladbach stöhnt inzwischen öffentlich über die Ausgaben für Menschen aus südosteuropäischen Ländern, die nie einen Euro eingezahlt haben. Landsberg verlangt, daß als Beschäftigung im Rahmen der europäischen Freizügigkeit „nur anerkannt wird, wenn man so viele Stunden arbeitet, daß man davon leben kann“. Er sieht die Politik in der Pflicht und kritisiert indirekt deren Untätigkeit: „Das Aufstocker-Problem kann man juristisch lösen, wenn man es will.“

Aus Sicht der Polizei in Nord-rhein-Westfalen haben sich aufgrund der Gesetzeslücke „mafiöse Strukturen“ gebildet. Die Besitzer unsanierter Wohnungen, in denen die Zuwanderer hausen, seien gleichzeitig auch „Scheinarbeitgeber“, sagt Daniela Lesmeister, Abteilungsleiterin Polizei im Düsseldorfer Innenministerium. „Mit den Scheinarbeitsverträgen kann zum Amt gegangen werden – für eine Arbeit, die es gar nicht gibt.“ Sie spricht von „organisierter Kriminalität“.

Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, passiert nichts. Dabei sei die Lösung relativ einfach, meint Magdeburgs OB Trümper: Der Bund müsse ein Gesetz erlassen, das festhält, daß im Rahmen der europäischen Freizügigkeit Zuwanderer „ihr Geld überwiegend selbst verdienen“. Das Versagen der Großen Koalition räumt der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, offen ein: „Daß eine Umgehung durch geringfügig Beschäftigte stattfindet, ist etwas, das wir nicht bedacht haben“.

Doch es bleibt für die Zuwanderer nicht beim Griff nach Hartz IV. In der ARD-Sendung „Fakt“ gab ein Profiteur ganz offen zu, warum er in Magdeburg lebt: „In Rumänien bekomme ich 10 Euro Kindergeld, in Deutschland aber mindestens 190.“ Mit all der staatlichen Unterstützung läßt es sich im Vergleich zum Balkan relativ gut leben. Daß das Geld nicht die Sitten ändert, müssen die Nachbarn erfahren. Verbliebene deutsche Anwohner in Duisburg und Magdeburg beschweren sich in dem Politikmagazin, daß die Alimentierten ihren Müll aus dem Fenster schmissen. Während sich das Leben für die Migranten aus Südosteuropa deutlich verbessert, hat die Wohnqualität für die Angestammten nachgelassen.

Um die Situation zu ändern, müßte der Bundestag seinen Fehler korrigieren. Nachdem dem Städte- und Gemeindetag der Kragen geplatzt ist, könnten die Chancen steigen. Aus dem von Hubertus Heil (SPD) geführten Bundesarbeitsministerium heißt es, das Problem sei „bekannt“. Man arbeite gemeinsam mit den Kommunen an einer Lösung. Fraglich bleibt, ob die Gesetzeslücke geschlossen wird oder ob – um die Gemeinden zu besänftigen – nur die Kostenstelle von den Kommunen zum Bund und den Ländern wandert. Der Zahlmeister bliebe dann derselbe: der Steuerzahler.