© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alles auf den Prüfstand
Christian Vollradt

Demokratie, meinte Henryk M. Broder, „beruht auf Arbeitsteilung“. Sprach’s und lächelte fast ein wenig verschmitzt. Gemeinsam mit Vera Lengsfeld und Michael Klonovsky sitzt der Publizist keine hundert Meter Luftlinie vom Reichstag („Dem Deutschen Volke“) entfernt und beantwortet geduldig die Fragen der Journalisten. Die wiederum wollen am Donnerstag vergangener Woche vor allem wissen, warum die drei auf dem Podium die von ihnen maßgeblich mitinitiierte „Gemeinsame Erklärung 2018“ als Petition in den Bundestag bringen wollen. Reiche es nicht aus, daß mit der AfD eine neue Fraktion im Parlament sitze, die genau dieses Anliegen auch vertrete? Und da kommt die Arbeitsteilung ins Spiel: „Das ist wie mit den Umweltverbänden“, gibt Broder zu bedenken. „Die existieren ja auch, obwohl es die Grünen gibt und das Umweltbundesamt und das Umweltministerium ...“ 

Aus zwei knappen Sätzen besteht die „Gemeinsame Erklärung 2018“: „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, daß die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“ Genau 165.290 Leute haben diese beiden Sätze unterzeichnet. Und ihre Unterschriften überreichte die ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld nun dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses Marian Wendt (CDU). Sobald die Petition auf der Internetseite des Ausschusses veröffentlicht worden ist, müssen innerhalb von vier Wochen mindestens 50.000 Petenten ihre Unterschrift noch einmal bestätigen beziehungsweise neu unterzeichnen, damit – im Regelfall und nach vorheriger rechtlicher Prüfung – der Ausschuß in einer öffentlichen Sitzung die Initiatoren anhören wird. 

Mitstreiter Broder betont, die Petition richte sich nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen eine bestimmte Flüchtlingspolitik. „Wir muten den Flüchtlingen zuviel zu, um zu beweisen, wie gut wir sind“, kritisiert er. Begründet werde dies mit der deutschen Geschichte. „Wir treiben eine Art Ablaßhandel gegenüber den Toten des Dritten Reiches, das finde ich höchst unanständig!“ 

Auch Lengsfeld betont, sie habe keine Angst vor Einwanderung, wenn diese auf legalem Wege stattfinde. „Wir wissen nur momentan nicht, wer zu uns kommt und was die im Schilde führen. Und das beunruhigt mich.“ Ergänzend wirft Henryk M. Broder ein: Schon der Absturz einer einzigen Concorde führte dazu, daß der geamte Flugverkehr mit dem Überschalljet eingestellt wurde. „Im Grunde müßte dann doch allein der Fall Amri ausreichen, das geamte Prozedere auf den Prüfstand zu stellen.“ 

Der Schriftsteller und Journalist Michael Klonovsky kündigt am Ende an, man werde die „Erklärung 2018“ in einen Verein umwandeln. Eine „außerparlamentarische Opposition für Rechtsstaatlichkeit“ sozusagen. Ganz im Sinne der demokratischen Arbeitsteilung.