© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Ein teures Spielzeug für den grünen Stadtverkehr
Gläserne Manufaktur Dresden: Seit einem Jahr läuft die Produktion des eGolf / Ungelöste Lade- und Reichweitenprobleme nicht nur bei VW
Paul Leonhard

Im Herbst konnte die Gläserne Manufaktur Dresden, in der VW seit dem Phaeton-Aus (JF 14/17 ) den Elektro-Golf produzieren läßt, einen Rekord melden, allerdings nicht im Autoverkauf: Am 29. Oktober waren 830 Tagesbesucher registriert worden. Damit hatten sich seit Jahresbeginn 85.000 Interessierte die sächsische Produktionsstätte des Elektro-Golfs und die „Erlebniswelt für Elektromobile und Digitalisierung angesehen. 20 Millionen Euro hat der Konzern bereitgestellt, um die Manufaktur zu einem „Center of Future Mobility“ umzubauen.

Produktionskapazitäten längst nicht ausgelastet

Die e-Golf-Gegenwart sieht nüchterner aus. Seit April 2017 werden in Dresden von 300 Mitarbeitern im Einschichtbetrieb täglich 35 Fahrzeuge gefertigt, weitere 85 Stück im Leitwerk in Wolfsburg. Schon eine Bestellung, wie die eines Nürnberger Energieversorgers über 67 Fahrzeuge, wird als großer Erfolg gefeiert und weckt die Hoffnung, daß „noch viele Kommunen und Energieversorger dem Nürnberger Beispiel folgen“, so Kai Siedlatzek, Geschäftsführer Finanzen bei Volkswagen Sachsen. Die Kapazitäten sind vorhanden. Würde die Nachfrage steigen, könnten in drei Schichten 100 Autos gefertigt werden.

Danach sieht es aber nicht aus. Zwar gehört der e-Golf, Grundpreis 34.900 Euro, aus Sicht von ADAC-Autotestern zum Besten, was im Bereich E-Mobilität angeboten wird. Aber es gibt noch immer gravierende Probleme bei der Reichweite, und das Mißtrauen potentieller Käufer in die Technik ist groß. Die Wertstabilität bei Elektroautos sei noch spekulativ, heißt es in der Fachpresse: Vor einem Gebrauchtwagenkauf würden viele Interessenten aus Angst vor teuren Folgereparaturen zurückschrecken: „Monatlich verliert der e-Golf hohe Eurobeträge an Wert.“ Letztendlich sei der e-Golf nur ein Auto für Idealisten.

Es rechne sich nicht, lautet die Einschätzung eines Autotesters von Computerbild. Allerdings werde er „diesen kräftigen Vortrieb genausowenig vergessen wie das komfortable Gleiten und die angenehme Ruhe“. Er habe bei dem Test gelernt, daß „es gar nicht weh tut, mal langsam durch die Republik zu fahren“. Grund dafür war der hohe Verbrauch das Fahrzeugs an Kilowattstunden. Die Reichweite, die das Fahrzeugdisplay vor der Reise angibt, sei reine Theorie.

Mit der ersten Akkugeneration (24,2 Kilowattstunden) habe der e-Golf eine bescheidene Reichweite von rund 145 Kilometern, konstatiert der ADAC-Autotest. Werde er mit eingeschalteter Heizung oder Klimatisierung betrieben, falle die Reichweite deutlich geringer aus. Zwar betont VW-Pressesprecher Carsten Krebs, daß durch eine neue Akku-Generation die Reichweite von 190 auf 300 Kilometer gesteigert werden konnte, aber das scheint selbst bei einer Fahrt im „Sparmodus“ (ohne Heizung/Klimaanlage) nur eine theoretische Werksangabe zu sein. Computerbild kommt am Ende zu einem Durchschnittsverbrauch von 17,9 Kilowattstunden auf hundert Kilometer und zieht sein Resümee: „Für mich müssen Elektrofahrzeuge wie der e-Golf mindestens 500 Kilometer fahren, ehe die Lichter ausgehen.“ Im aktuellen Fall waren es knapp 180. Skepsis ist ebenfalls angebracht, wenn VW von der großen Leidenschaft der Norweger für den e-Golf schwärmt. Drei Viertel der Fahrzeuge wurden bislang nach Norwegen exportiert, wo der e-Golf Spitzenreiter im Ranking der Gesamtzulassungen bei Elektroautos ist. E-Autos machen in Norwegen ein Drittel der Neuzulassungen aus. Der E- und Hybrid-Autoabsatz stieg von 44.908 (2016) auf 62.316 (2017) – etwa dank dem Erlassen der exorbitanten Mehrwert- und der Kfz-Steuer sowie der Möglichkeit, Busspuren zu nutzen.

Aber: Die Fahrzeuge sind selbst im Land der Fjorde und Wasserkraftwerke lediglich in den Städten und ihren Randgebieten populär. Im Winter auf dem Land Kolonne zu fahren, über die Berge mit Wartezeit in Schnee und Sturm, bis der Räumdienst die Straße wieder freigibt, das schafft weder ein dreimal so teurer Tesla geschweige denn ein e-Golf. Trotz der staatlichen Förderung gibt es viel zuwenig Möglichkeiten zum Aufladen der Batterie – das überdies äußerst zeitraubend ist. Und wenn es durch Wind und Sturm zum Stromausfall kommt, sehnt sich jeder nach einem Benziner.

Der Oberbürgermeister braucht nun zwei Autos

Wird der e-Golf an Standard-Steckdosen aufgeladen, dauert das bis zu 13 Stunden. Gegen Aufpreis gibt es ein Ladekabel für Ladestationen (neun Stunden) und Schnelladestationen (0,5 Stunden für 80 Prozent Kapazität). Welchen logistischen Aufwand das bedeutet, haben bereits die Mitarbeiter der Dresdner Stadtverwaltung zu spüren bekommen. Die von einem rot-rot-grünen Rat regierte Landeshauptstadt hat sich verpflichtet, ihren Fuhrpark komplett auf E-Fahrzeuge umzustellen. So hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) einen e-Golf als Dienstwagen, allerdings nur für die Stadt. Für längere Fahrten nutzt er einen Passat GTE – sprich: einen Benziner mit E-Motor für Kurzstrecken.

VW läßt trotzdem nichts unversucht, das Interesse an seinen Elektromodellen zu wecken. In Dresden werden einstündige Probefahrten im e-Golf kostenlos angeboten. Und es gibt eine Schnelladestation vor der Manufaktur, wo Besitzer von Elektrofahrzeugen aller Marken ihre Fahrzeuge kostenlos aufladen können, also auch die Konkurrenz von Ford, Nissan oder Renault. Die Mühsal zahlt sich vielleicht aus: Seit März wird die Produktion in Dresden schrittweise auf täglich 70 e-Golfs erhöht. Ab 2020, verspricht Standortleiter Lars Dittert, „soll die Elektro-Offensive der Marke Volkswagen“ dann richtig zünden.

Am 26. Mai findet in der Gläsernen Manufaktur der zweite „e-Day – Der Erlebnistag für die ganze Familie“ statt:  www.glaesernemanufaktur.de/