© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Kais Harrabi – ein Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – hat im Hinblick auf den letzten Tatort eine wichtige Frage gestellt: „Wird der Schwarzwald von Nazi-Bauern unterwandert?“ Die Antwort lautet: Wahrscheinlich. Um diese Einschätzung abzusichern, wurde auf Fachleute zurückgegriffen. Etwa auf Andrea Röpke, die nicht nur weiß, daß Ökologie schon immer irgendwie völkisch war, sondern auch daß Faschofrauen systematisch den Erziehungssektor infiltrieren. Vorgestellt wird Frau Röpke mit dem Hinweis, daß sie „Journalistin und Co-Autorin mehrerer Bücher über Rechtsextremismus“ sei. Es hätte der Sorgfaltspflicht eines Mitarbeiters der FAZ gut angestanden, wenn hinzugefügt worden wäre, daß Frau Röpke keineswegs als Spezialistin mit wissenschaftlichem Anspruch betrachtet werden kann, sondern nur ihre antifaschistische Gesinnung und ihre notorische linke Parteilichkeit zum Beruf gemacht hat.

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Im Schloß von Ballenstedt findet sich immer noch das Grab Albrechts des Bären, Gründer der Dynastie der Askanier. Und davor steht ein Gedenkstein für den letzten Regenten dieses Hauses. Dazu die Inschrift: „Joachim Ernst / Letzter Herzog von Anhalt / * Dessau 11.01.1901 / KZ Buchenwald † 18.02.1947“.

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Angesichts der Empörung über zwei türkischstämmige Legionäre, die in der deutschen Fußballnationalmannschaft spielen, beim Singen der deutschen Hymne die Zähne nicht auseinanderbekommen und Erdogan verehren, nur drei Hinweise: 1. So was kommt von so was. 2. Nach einer Umfrage vom vergangenen Herbst betrachten 44 Prozent aller in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft die Kritik an der gegenwärtigen türkischen Regierung als ungerechtfertigt, weitere 17 Prozent finden sie überzogen, 83 Prozent betrachten die Türkei in hohem oder sehr hohem Maß als Heimat. 3. Das ist insofern verständlich, als die Alternative zu türkischem Stolz deutsche Demut wäre, und kein Mensch, der bei Trost ist, würde ersteren gegen letztere tauschen.

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Der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht hat einen Aufsatz über die religionspsychologischen Grundlagen der Angst vor einer finalen Ökokatastrophe geschrieben und darin die These aufgestellt, daß es sich um eine säkularisierte Variante der christlichen Apokalypsefurcht handele. Solche Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen menschlicher Schuld, Weltgericht und Weltuntergang seien typisch für monotheistische Religionen und nicht nur in der kirchlichen Lehre, sondern auch im Islam verbreitet. Allerdings hätte schon der Blick in irgendein Handbuch der Religionsgeschichte genügt, um zu sehen, daß die Angst vor dem ganz großen Kladderadatsch in zahlreichen Glaubensvorstellungen auftritt, ob es sich dabei um die Annahme eines „Weltenbrandes“ am Ende von Kali-Yuga im Hinduismus handelt, um die Sorge der Kelten, daß ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte, die Vision von Ragnarök bei den Germanen oder um die Annahme einer zyklischen Zerstörung und Erneuerung des Kosmos bei allen möglichen Primitiven. Das dahinterstehende Unbehagen an der Welt wie sie ist, gehört wohl nicht zu den Besonderheiten unseres Kulturraums, sondern zählt zu den menschlichen Universalien.

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Was sich nicht ändert: Jungs, die an der Baustelle stehen und stumm mit Blicken dem Bagger folgen; Mädchen, die achtlos an dem Wunder vorübergehen.

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Die regelmäßige Empörung über rechte Polemik hat ihre Ursache in Entwöhnung. Also rufen die einen nach dem Kadi oder murmeln doch verbissen „Volksverhetzung“, „Diskriminierung“, „Rassismus“ oder entfalten jene tantenhafte Empörung, die weiland auslöste, wer gegen jede Etikette doch über die „Unaussprechlichen“ sprach.

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Belgien ist eines der ersten Länder mit einer islamischen Partei. Die Liste „Islam“ konnte aber bisher nur auf der unteren Ebene des politischen Systems gewisse Erfolge verzeichnen: Sie stellt zwei Stadträte der Region Brüssel und hat Vertreter in vierzehn der neunzehn Brüsseler Gemeinden, außerdem in sechs Kommunen der Provinz Lüttich. Die nächste Etappe sind die Lokalwahlen in Wallonien. Die Partei erklärt ganz offen, daß sie die Scharia zwecks Lösung „der sozio-ökonomischen und familiären Probleme“ etablieren wolle. Allerdings ist man sich klar darüber, daß das nicht von heute auf morgen erreichbar ist. Als 2012 ein Vorstoß unternommen wurde, die Gruppierung als verfassungsfeindlich verbieten zu lassen, erklärte Redouane Ahrouch, heute einer der beiden Brüsseler Stadträte: „Wir wollen das Gesetz Gottes erklären, und wenn das Volk es wünscht, wollen wir die Scharia nach einem Referendum in 10 bis 15 oder 20 Jahren einführen. Sicher, gegenwärtig ist es zu früh. Die Gesellschaft ist nicht bereit. Man müßte zu viele Hände abschlagen.“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 8. Juni in der JF-Ausgabe 24/18.