© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Frisch gepresst

Schlegel. Mit seiner 1988 übersetzten Biographie des Romantikers Ludwig Tieck hat sich der in Cambridge lehrende Germanist Roger Paulin dem deutschen Publikum bekannt gemacht. Doch 1996 konnte Wolfgang Raths umfassende Untersuchung über „das vergessene Genie“ Tieck sein Werk in den Schatten stellen und genießt bis heute den Rang eines Standardwerks. Daß Paulin seitdem nicht im trockenen Positivismus steckengeblieben ist, beweist eine Monographie, die der Emeritus August Wilhelm Schlegel (1767–1845) zum 250. Geburtstag geschenkt hat. Dieses Alterswerk bettet den Sprach- und Literaturwissenschaftler, Kritiker und Übersetzer in den historischen Kontext der an Revolutionen und Kriegen reichen Frühmoderne ein und weitet das vielschichtige Porträt eines von vielen Zeitgenossen als „Universalgenie“ bewunderten Intellektuellen zum Panorama seiner Epoche aus. Im Gegensatz zur gleichzeitig erschienenen Biographie von Jochen Strobel (JF 4/18) bleiben dem Leser erfreulicherweise auch moralisierende Belehrungen über den „nationalistischen“ Kulturpatriotismus Schlegels erspart. (wm)

Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Biographie. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2017, gebunden, 370 Seiten, 49,90 Euro





Öffentliche Meinung. In seiner Habilitationsschrift über den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1962) befand sich sogar Jürgen Habermas mit seiner realistischen Einschätzung der „Refeudalisierung der Öffentlichkeit“ noch in völliger Übereinstimmung mit dem Schmitt-Adepten Rüdiger Altmann, der von öffentlicher „Kommunifikation“ sprach, und mit Caspar von Schrenck-Notzing, der erkannte, daß Öffentlichkeit seit der Aufklärungsepoche längst den Platz gewechselt hat: „Sie steht nicht mehr auf der Seite der Opposition, ja erfüllt die Aufgabe, Opposition von vornherein unmöglich zu machen.“ Der Jurist und Publizist Thor von Waldstein macht diese heute aktueller denn je wirkenden Einsichten fruchtbar. Diese komprimiert er in einem gedankenreichen, auch an andere kluge Köpfe wie den Medienwissenschaftler Norbert Bolz anknüpfenden Essay, der überaus treffend die Öffentlichkeitsstrukturen im Zeitalter der die „Mehrheitstäuschung“ organisierenden Lügen- und Lückenmedien analysiert. (wm)

Thor von Waldstein: Macht und Öffentlichkeit. Kaplaken Band 53, Verlag Antaios, Schnellroda 2018, gebunden, 86 Seiten, 8,50 Euro