© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

Die expansive Geldpolitik wirkt – nur am falschen Ende
Kreative Inflationsberechnung
Dirk Meyer

Trotz ihrer expansiven Geldpolitik – Anleihenankaufprogramm seit März 2015, Einlagenzins von maximal Null seit Juli 2012, Leitzins von Null seit März 2016 – ist die EZB mit dem Ergebnis unzufrieden. Ihr gestecktes Ziel, die Inflationsrate auf mittlere Sicht „unter, aber nahe 2 Prozent zu halten“, hat sie nicht erreicht. Dabei hätte sie gemäß AEU-Vertrag vorrangig „die Preisstabilität zu gewährleisten“. Danach wäre die Inflationsrate (2017) im Euroraum (1,5 Prozent), in Deutschland (1,7 Prozent) sowie in den anderen Euroländern (0,3 bis 3,7 Prozent) durchaus im Rahmen. Hellhörig machen sollten eher die für einen optimalen Währungsraum relativ großen Abweichungen zwischen den Euroländern, deuten sie doch auf eine mangelnde Paßgenauigkeit des einheitlichen geldpolitischen Maßanzuges hin. Worin jedoch liegen die Ursachen der vermeintlich geringen Inflation?

Die Banken in Italien und Griechenland haben hohe Bestände an Problemkrediten und können die günstigen Refinanzierungszinsen für weitere Kredite nicht nutzen (Kreditklemme). Zahlreiche Unternehmen in den mediterranen Mitgliedstaaten leiden an Altlasten und geringer Rentabilität mit der Folge geringer Kreditnachfrage (Bilanzrezession). In Ländern wie Deutschland ermöglicht die gute Ertragslage eine Finanzierung über einbehaltene Gewinne sowie Mezzanine-Kapital. Deshalb bleibt im System der EZB eine ungenutzte Überschußliquidität von über 1,2 Billionen Euro (etwa 30 Prozent der Bilanzsumme) hängen. Außerdem hat die Globalisierung zu vermehrtem Wettbewerb geführt, der Preissteigerungen kaum zuläßt. Einen Abflußkanal hat das günstige EZB-Geld allerdings gefunden. Es geht in die Vermögensmärkte und verursacht dort zum Wohl der Vermögenden erhebliche Preis-/Wertsteigerungen. So stieg der Flossbach von Storch-Vermögenspreisindex 2017 um 9,3 Prozent. Er bildet die Preisentwicklung des Vermögens deutscher Haushalte ab und umfaßt Immobilien, Finanzvermögen (Anleihen, Aktien, Sparguthaben), Sammelgüter (Münzen, Kunst) sowie langlebige Gebrauchsgüter (Auto, Fernseher).

Im Detail stiegen die Preise für Immobilien um 8,2 Prozent, Aktien um 11,8 Prozent und Betriebsvermögen um 24,1 Prozent. Diese Vermögenswerte sind nichts anderes als die Summe der abgezinsten zukünftigen Erträge. Bei steigenden Vermögenspreisen und sinkenden Zinsen können die Ertragserwartungen demnach nicht in gleichem Umfang gefallen sein. Vielfach dürften sie sogar gestiegen sein. Ob diese positiven Erwartungen eine realwirtschaftliche Grundlage haben oder aber Übertreibungen darstellen, ist schwer zu beurteilen. In beiden Fällen täte die EZB jedoch gut daran, von ihrer expansiven Geldpolitik abzukehren. Oder verfolgt sie ein politisches Interesse, den Krisenstaaten weiterhin zu niedrigen Zinsen Kredit zu ermöglichen?






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.