© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

„Schlicht und einfach ein Trottel“
Linkspartei: Interner Streit überschattet den Parteitag
Christian Schreiber

Daß sich die Linkspartei am Wochenende in Leipzig trifft, ist kein Zufall. In Sachsen finden im kommenden Jahr Landtagswahlen statt, und aus Sicht der Postkommunisten steht zu befürchten, daß sie von der Alternative für Deutschland überflügelt wird. Während die Parteiführung um Katja Kipping und Bernd Riexinger vor einem Rechtsruck warnt und die Gefahr einer Wiederkehr des Faschismus heraufbeschwört, sucht Oskar Lafontaine die Fehler in den eigenen Reihen. „Scheiße ist meistens hausgemacht“, ätzt der 74jährige. Offiziell hat sich der Saarländer in sein Heimatland zurückgezogen, führt dort mehr oder weniger lustlos die Landtagsfraktion. 

Doch der begnadete Populist zieht im Hintergrund immer noch die Strippen. Denn seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht steht gemeinsam mit Dietmar Bartsch an der Spitze der Bundestagsfraktion und übt von dort aus Fundamental­opposition gegen die Parteiführung aus. Eine harte Auseinandersetzung liefern sich die verfeindeten Flügel vor dem Bundesparteitag auch beim Thema AfD. 

Rechtsruck-Vorwurf nennt Wagenknecht „absurd“

Während die Bundesspitze auf einen harten, ideologischen Antifaschismus setzt, kontern Lafontaine und Co. mit Populismus. Sein Aufruf für eine linke Sammlungsbewegung sei eine Reaktion sowohl auf den Einzug der AfD „mit Rassisten und Nazis in beachtlicher Fraktionsstärke“ in den Bundestag als auch auf die Schwäche der SPD. Seit der Bundestagswahl trommelt Lafontaine für neue Formen der politischen Beteiligung. Nach seinem Ausscheiden aus der SPD hatte er für rot-rot-grüne Bündnisse geworben. Nun, nachdem die AfD in 14 von 16 Landesparlamenten sowie im Bundestag sitzt, sind die kaum noch möglich. Also muß es eine neue Sammlungsbewegung sein. Vor einigen Wochen gelangte erstmals ein Positionspapier an die Öffentlichkeit.

Die Friedenspolitik Willy Brandts wird darin gepriesen, sichere Arbeitsplätze und gute Löhne versprochen. Überhaupt sei ein neuer starker Sozialstaat, der Privatisierungen stoppe und gerechte Steuern erhebe, nötig. Das Ganze wurde unter dem Slogan „#fairLand“ verkauft. So soll eine mögliche neue Partei allerdings nicht heißen. „Es war nur eine von vielen Ideen für einen Namen und nicht mein Favorit. Die Sammlungsbewegung wird anders heißen“, sagte Wagenknecht dem Spiegel. Als Vorbild für das Projekt gilt die linke Plattform „La France insoumise“ (das unbeugsame Frankreich), die der französische Politiker Jean-Luc Mélenchon 2016 gegründet hat.

Innerhalb der Linkspartei herrscht seitdem Kriegszustand. Die Parteiführung verweist auf gute Umfragewerte und wirft Lafontaines Leuten eine Spaltungsabsicht vor. Der keilt aus dem fernen Saarbrücken lautstark zurück. „Was ist denn das für ein Geschwätz in der eigenen Partei, aber auch in der Öffentlichkeit, hier sei von Spaltung die Rede. Wer den Unterschied zwischen Sammeln und Spalten nicht kennt, der ist schlicht und einfach ein Trottel.“

Lafontaine setzt auf gesellschaftliche Veränderung und will mehr als „Zehn plus X“. Er schielt auf die 400.000 Wähler, die die Linke bei der Bundestagswahl an die AfD verloren hatte, und weist darauf hin, daß es der Rechtspartei gelungen ist, im Ruhrgebiet in Bastionen der SPD einzubrechen. „Das wären eigentlich Leute, die wir ansprechen müßten“, sagt Lafontaine. „Wir erreichen bestimmte Milieus nicht mehr. Wir sollten uns fragen, wie wir es schaffen, diese Menschen zu erreichen“, erklärt seine Lebensgefährtin. Nach Wahlanalysen seit 2009 haben vor allem Arbeiter und Arbeitslose der Partei den Rücken gekehrt.

Wagenknecht macht die Asylpolitik der Partei dafür verantwortlich. Der Bundesvorstand plädiere für eine Politik der offenen Grenzen. Die Linke müsse auch in Zukunft eine „Bastion der Flüchtlingssolidarität“ sein, bestätigt Kipping. Die Fraktionsvorsitzende hält dagegen und macht sich öffentlich Gedanken über geschlossene Grenzen und Flüchtlingshilfe in den Herkunftsländern. Den Vorwurf des Rechtsrucks weist sie als „absurd“ zurück.

Am Wochenende stehen in Leipzig Neuwahlen zum Bundesvorstand an. Kipping und Riexinger treten erneut an, bisher ohne Gegenkandidatin. Wagenknecht wurden oft Ambitionen nachgesagt, offenbar scheut sie aber eine Niederlage. Doch einen aussichtsreichen Gegenkandidaten konnte auch sie bislang nicht präsentieren. So zeichnet sich ab, daß alles beim alten bleibt. Personell und inhaltlich. Innerhalb der Partei wird gemunkelt, daß Wagenknecht gar kein Amt wolle, damit sie freie Hand für eine Parteigründung habe. Die Sammelbewegung soll überparteilich sein und lade Mitglieder verschiedener Parteien zur Mitarbeit ein. „Es geht nicht um die Gründung einer neuen Partei“, widerspricht Lafontaine.

Ihre Pläne, die parteiintern auch schon mal „Sahras Sammlung“ genannt werden, hat sie nun bis nach der Fußball-WM zurückgestellt. Das hat nicht nur damit zu tun, daß die Sommermonate von König Fußball geprägt sein werden. Personell läuft die Sache eher schleppend an. Der frühere SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler möchte zwar mitmachen, und auch die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer von den Grünen hat Interesse signalisiert. Beide sind jedoch politisch längst auf dem Abstellkreis. Kevin Kühnert, Chef der Jungsozialisten, hat denn auch keine Angst davor, daß die SPD unter einer Parteigründung Lafontaines zu leiden hätte. „Das ist bisher mehr ein Familienbetrieb als ein politischer Ansatz.“