© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Hauptanliegen: Aufklärung
Christian Vollradt

Nahezu täglich trudeln neue Enthüllungen in der Affäre rund um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein. Sogar die suspendierte Leiterin der Bremer Außenstelle, Ulrike B., meinte gegenüber der Bild-Zeitung, es gebe „viele, die vom Systemversagen“ gewußt, aber tatenlos zugeschaut hätten. Etwa auch Angela Merkel? Erst am Sonntag war bekanntgeworden, daß die Bundeskanzlerin offenbar frühzeitig über die Mißstände im Bamf informiert war. Der frühere Behörden-Chef Frank-Jürgen Weise habe 2017 zweimal mit Merkel über die Mißstände im Bamf gesprochen, berichtete die Bild am Sonntag. Ulrike B., deren Anwalt vor einer Vorverurteilung seiner Mandantin warnt,  ist überzeugt, daß aktuell erst ein Drittel des Skandals bekannt ist; nun werde aber alles ans Licht kommen, lautet ihre Prognose.

Die Chancen dafür stehen in der Tat nicht schlecht. Die Bundestagsfraktionen von AfD und FDP haben je einen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht. Dieses Gremium müsse klären, wer die politische Gesamtverantwortung für „die größte Krise seit Bestehen der Bundesrepublik“ trägt, meinte AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch bei der Vorstellung des maßgeblich von ihr mitverfaßten Antrags. Die Bundesregierung müsse dabei die Rechtsgrundlagen ihres Handelns erläutern. „Die haben wir bis heute nicht gefunden.“

Thema des Ausschusses sollten auch die Vorgänge und Mißstände im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sein. Aber, stellte die Abgeordnete klar, „das Bamf trägt nicht die Verantwortung, die liegt im Kanzleramt“. Noch im Januar 2018 habe die Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD geantwortet: „Das Bamf war und ist trotz der hohen Arbeitsbelastung jederzeit in der Lage, die ihm zufallenden Aufgaben zu erledigen.“ Diese Antwort sei zu diesem Zeitpunkt schon „wissentlich falsch“ gewesen, betonte von Storch. Der zeitliche Umfang der Untersuchung soll sich von Anfang 2014 bis heute erstrecken. 

Das sieht auch der Antrag der FDP vor. „Anlaß sind die Vorgänge im Bamf, Gegenstand ist das politische Umfeld“, sagte Fraktionschef Christian Lindner bei der Vorstellung am Montag in Berlin. Während aber die AfD ihren Antrag „mit Schaum vor dem Mund“ formuliert habe, um den gesellschaftlichen Konflikt zu eskalieren und politisch Kapital daraus zu schlagen, gehe es den Liberalen um „sachliche, gründliche Aufklärung“. Nur so werde man „Verschwörungstheorien den Wind aus den Segeln nehmen“, betonte Lindner. Erkennbar möchte die FDP sogar die Linkspartei lieber um Unterstützung ihres Antrags bitten als die AfD.

Dort scheint man die Sache pragmatischer zu sehen. Es gebe eine große Übereinstimmung in den wesentlichen Punkten beider Anträge, meinte Beatrix von Storch am Dienstag vor Journalisten. „Deswegen würden wir auch dem FDP-Antrag zustimmen, die AfD möchte diesen Untersuchungsausschuß“, das sei die Hauptsache. Egal auch, ob er 11 Mitglieder umfaßt (AfD) oder 18, wie es die FDP sich wünscht.