© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Freiheitskämpfer oder Krimineller?
Großbritannien: Der Islamkritiker Tommy Robinson muß ins Gefängnis, weil er von einem Mißbrauchsprozeß berichtet
Josel Hämmerling

Der Fall Tommy Robinson erhitzt derzeit über Landesgrenzen hinweg die Gemüter. In den sozialen Netzwerken fordern Zehntausende die Freilassung des 35jährigen Briten. Nicht nur in England gehen Menschen dafür auf die Straße, auch in Dresden demonstrierte am vergangenen Montag die Pegida-Bewegung für ein Ende seiner Haft. Eine Online-Petition hat inzwischen über eine halbe Million Unterstützer gefunden. Der Vorwurf: Politische Willkür und Zensur!

Der ehemalige Vorsitzende der English Defence League (EDL) Stephen Yaxley-Lennon, wie Robinson wirklich heißt, war in der vergangenen Woche in Leeds verhaftet worden, während er über ein laufendes Gerichtsverfahren gegen 29 moslemische Angeklagte berichtete, die sich vor dem Crown Court wegen des Vorwurfs des sexuellen Mißbrauchs verantworten müssen.

Die Behörden weisen die Zensur-Vorwürfe von sich

Es ist einer von mehreren Prozessen gegen Mitglieder der sogenannten „grooming gangs“ (JF 12/18), die jahrzehntelang Tausende britische Mädchen vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen haben sollen. Dabei hatte Robinson, dessen Brüche in der Biographie bereits häufiger für Diskussionen sorgten (JF 43/13), vor dem Gericht die Ankunft einiger dieser Angeklagten gefilmt, Namen vorgelesen und das Video auf seine Facebook-Seite gestellt. Nach etwa einer Stunde wurde er von Polizisten festgenommen und im Schnellverfahren zu 13 Monaten Gefängnis wegen „Mißachtung des Gerichts“ verurteilt. Erschwerend auf das Strafmaß wirkte sich aus, daß sich der Islamkritiker wegen eines ähnlichen Vorfalls im vergangenen Jahr noch auf Bewährung befand. 

Sofort nach Robinsons Verhaftung kam es zuerst in Europa, später auf der ganzen Welt zu Protesten. Die Zensur-Vorwürfe verhärteten sich, zumal das Gericht eine Berichterstattung über den weiteren Fortgang des Prozesses gegen Robinson so lange verbot, bis das Kindesmißbrauchs-Verfahren beendet ist. Die Behörden jedoch wiesen die Anschuldigungen mit Verweis auf das im Vereinigten Königreich geltende Prozeßrecht entschieden zurück.

Im angelsächsischen Rechtssystem werden Straftaten wie Mord, Raub und Sexualdelikte vor dem Crown Court verhandelt. Dieser besteht aus einer Jury, die über Schuld oder Unschuld entscheidet, und einem Richter, der im Fall einer Verurteilung das Strafmaß bestimmt. Um jegliche Beeinflussung der Jury auszuschließen, darf die britische Presse nach Eröffnung des Verfahrens über bestimmte Details nicht berichten.

Lediglich die Anklage an sich, das Gericht, vor dem verhandelt wird, und die Namen der (volljährigen) Beschuldigten und ihrer Anwälte dürfen bekanntgegeben werden. So hieß es auch seitens des Gerichts, Robinsons Verhalten wäre geeignet, die Jury zu beeinflussen und könne den britischen Steuerzahler mehrere hunderttausend Pfund kosten, wenn der jahrelang vorbereitete Prozeß daran scheitere und neu aufgerollt werden müsse.

Robinsons Anwalt konterte, sein Mandant habe in seinem Facebook-Video lediglich aus einem schon lange öffentlichen BBC-Artikel vorgelesen. Zudem seien die Namen der Angeklagten auf der Webseite des Crown Courts aufgelistet. Auch auf den Aufnahmen sei nichts zu sehen gewesen, das die Jury irgendwie beeinflussen könnte, sondern lediglich wie die Angeklagten das Gerichtsgebäude betraten.

Das Team um Tommy Robinson veröffentlichte daraufhin Fotos von zwei der Angeklagten, wie sie sich einen Weg durch fotografierende und bedrängende Reporter bahnen. Keiner dieser Journalisten sei aber vom Gericht verurteilt oder ermahnt worden. Robinsons Anwalt äußerte zudem die Befürchtung, daß sein Mandant die Haft nicht überleben würde. Er verwies dabei auf eine frühere Verurteilung Robinsons zu 18 Monaten Haft, wozu er in die Strafanstalt Woodhill eingeliefert wurde. Dort wurde er von drei radikal-islamistischen Mithäftlingen schwer zusammengeschlagen, ohne daß, so der Anwalt, die Wärter eingriffen. Ähnliches oder gar Schlimmeres sei jetzt wieder zu befürchten.

Unterdessen demonstrieren fast täglich Dutzende Demonstranten vor der Downing Street 10, dem Sitz des Premierministers, und fordern die Freilassung des Islamkritikers. Weitere Aufnahmen zeigen Proteste vor den britischen Botschaften in Dänemark, Israel und sogar Australien. Der niederländische Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Partei für die Freiheit, Geert Wilders, verlangte in einem vor der britischen Botschaft in Den Haag aufgenommen Video die sofortige Freilassung des „Freiheitskämpfers“ Robinson. Daß die britische Justiz diesen Forderungen nachgeben wird, ist jedoch mehr als unwahrscheinlich.