© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Kindergeld für den Balkan
Sozialpolitik: Armutsmigration ist kein Gewinn für unsere älter werdende Gesellschaft
Paul Rosen

Zahlen über die Kosten für Zuwanderer aller Art in Deutschland lösen oft ungläubiges Staunen aus, wenn zum Beispiel beim Blättern in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes zu lesen ist, daß für Migranten bis 2021 120 Milliarden Euro ausgegeben werden sollen. Im Schatten der großen Migrationswelle aus Nahost und Afrika wird die EU-Binneneinwanderung oft übersehen. Dabei hat sie dramatische Ausmaße angenommen, wie der Antwort der Bundesregierung auf eine von dem AfD-Abgeordneten Stefan Keuter initiierte Kleine Anfrage zu entnehmen ist.

Als der Beitritt von Bulgarien und Rumänien zur EU verhandelt wurde, hatte besonders die CSU auf eine drohende Armutsmigration und eine Einwanderung in die Sozialsysteme hingewiesen, womit sie sich giftiger Kritik aus der CDU ausgesetzt sah, etwa vom heutigen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, der erklärte: „Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien wird ein Gewinn für unsere älter werdende Gesellschaft sein. Je mehr junge Qualifizierte kommen, um so besser.“

Deutsche Sozialleistungen wirken wie ein Magnet

Als beide Länder 2007 EU-Mitglieder wurden, war die Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgesetzt worden. Dies wurde auf sieben Jahre befristet; daß es nach ihrem Ende 2014 eine Einwanderungswelle geben würde, wurde etwa vom bulgarischen Botschafter Radi Naidenov rundweg bestritten. Naidenov sagte seinerzeit, Bulgarien und Rumänien hätten lange Übergangsfristen von sieben Jahren akzeptiert: „Jetzt müssen für uns die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für alle anderen EU-Mitgliedsstaaten.“

Die Realität sah natürlich anders aus. Ja, es kamen Ärzte, Ingenieure, Metzger oder Pflegekräfte – doch der Wohlstand in Deutschland und leicht zu erreichende Sozialleistungen wirken auch wie ein Magnet auf jene Menschen, deren Armut groß und deren dortige Sozialhilfe gering ist. Waren 2013 noch 27.502 Menschen aus Bulgarien nach Deutschland gekommen, so stieg die Zahl mit Beginn der Freizügigkeit auf 37.809 und in den folgenden Jahren auf über 40.000 pro Jahr. Insgesamt kamen seit 2013 201.392 Bulgaren nach Deutschland (Rückkehrer sind schon abgezogen). Das sind rund 2,8 Prozent der Bevölkerung des Landes. Rund 128.000 Bulgaren gehen einer Beschäftigung nach, rund 37.000 haben seit 2014 ein Gewerbe angemeldet, wobei die Tätigkeiten in vielen Fällen geringfügig sein dürften und Sozialleistungen nach sich ziehen. Eine Aufschlüsselung – auch über den Anteil der Roma-Minderheit – gibt es in der Antwort der Bundesregierung nicht.

Ähnlich entwickelte sich die Migration aus Rumänien. Kamen 2013 noch 54.382, waren es 2014 schon 82.450, 2015 und 2016 über 90.000, und im vergangenen Jahr erreichte die Zuwanderung mit 105.183 einen Rekordwert. Insgesamt befinden sich derzeit 456.304 rumänische Staatsangehörige in Deutschland (Heimkehrer abgezogen), was 2,28 Prozent der Gesamtbevölkerung Rumäniens entspricht. 337.000 rumänische Staatsangehörige gehen einer Beschäftigung nach, fast 80.000 haben ein Gewerbe angemeldet. Wie viele geringfügige Tätigkeiten und Scheinselbständigkeiten darunter sind, wird nicht veröffentlicht. Ein Indiz ist das Verhältnis der Gewerbeanmeldungen von EU-Ausländern in Deutschland. Fast 40 Prozent dieser 384.534 Gewerbeanmeldungen erfolgten seit 2014 von Bürgern aus Bulgarien und Rumänien. Warum? „Das kann dann einen Anspruch auf Hartz IV und Kindergeld nach sich ziehen“, mutmaßte schon 2013 der bayerische Innenminister Joachim Herrmann.

Weitere Indizien finden sich in Problemvierteln von Großstädten, wo in abbruchreifen Häusern oft Hunderte Bürger aus Rumänien und Bulgarien untergebracht oder gemeldet sind. Keuter berichtet in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage von Meldeadressen in Duisburg-Marxloh, wo bis zu 6.000 Personen pro Haus registriert seien.

Die Zahl der Arbeitslosen aus Bulgarien und Rumänien in Deutschland stieg seit 2014 drastisch an. Waren 2014 noch 8.710 Bulgaren arbeitslos gemeldet, so stieg deren Zahl bis 2017 auf 19.110. Die Zahl arbeitsloser Rumänen stieg in diesem Zeitraum von 7.228 auf 13.313. Im Vergleich dazu blieb die Zahl von in Deutschland gemeldeten Arbeitslosen aus EU-Problemstaaten wie Griechenland (2017: 12.076), Italien (19.987), Portugal (2.813) und Spanien (3.472) seit 2014 gleich hoch oder sank sogar.

Ein besonderes Kapitel sind die Zahlungen von Kindergeld an EU-Ausländer. So geht aus der Antwort der Bundesregierung hervor, daß 79.378 Rumänen für 132.351 Kinder Kindergeld beziehen. 17.522 dieser Kinder leben im Ausland. 49.107 bulgarische Kindergeldberechtigte für 81.191 Kinder gibt es, davon leben 6.326 Kinder im Ausland. Wer als Deutscher ins Ausland zieht, bekommt hingegen in der Regel kein deutsches Kindergeld mehr.

Nachdem die Bundesregierung zunächst behauptet hatte, es gebe entsprechende Zahlen nicht, mußte sie aufgrund einer anderen AfD-Anfrage einräumen, welche Ausmaße die Überweisungen von Kindergeld ins Ausland erreicht haben: Seit 2010 flossen 1,48 Milliarden Euro von der Kindergeldkasse auf ausländische Konten ab – für Kinder, die nicht in Deutschland leben.

Zwar hat die Bundesregierung das Ziel, diese Zahlungen zu indexieren, also an die Lebenshaltungskosten etwa in Bulgarien und Rumänien anzupassen, was eine erhebliche Reduzierung der Überweisungen bedeuten würde. Doch einer Indexierung steht eine EU-Verordnung entgegen, deren Änderung die EU-Kommission strikt ablehnt. Verabschiedet wurde die Richtlinie schon 2004 im EU-Ministerrat – mit ausdrücklicher deutscher Zustimmung.

Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/2333):  kleineanfragen.de/