© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

„Totale Neuaufstellung“
Österreich: Die FPÖ streitet um das Traditionsmagazin „Aula“
Kurt Zach

ORF-Quotenmohr“ – mit dieser despektierlichen Bezeichnung für den Sänger Cesar Sampson in der Mai-Ausgabe der Aula war das Maß voll. In der FPÖ ist die Debatte um das in Graz erscheinende Monatsmagazin der nach Bundesländern organisierten Freiheitlichen Akademikerverbände (FAV) wieder voll entbrannt. Bei allen Unterschieden in der Tonalität schält sich ein gemeinsamer Nenner heraus: Für eine Regierungs- und Volkspartei wie die FPÖ ist die Nähe zu einer Zeitschrift, die das Kokettieren und Herumpaktieren mit dem rechtsextremen Spektrum nicht lassen kann, nicht mehr tragbar.

Im Fokus stand zuletzt der dritte steirische Landtagspräsident Gerhard Kurzmann, der als FAV-Mitglied auch für die Aula zur Feder gegriffen hatte. Nach der „Quotenmohr“-Affäre war dem stellvertretenden FPÖ-Chef Norbert Hofer, der in der Bundespräsidentenwahl nur knapp dem grünen Amtsinhaber Van der Bellen unterlegen war und jetzt der österreichischen Bundesregierung als Infrastrukturminister angehört, der Kragen geplatzt: Jeder, der weiter in der Aula publiziere, habe „die Chance auf eine weitere Karriere in der FPÖ verwirkt“, dekretierte Hofer.

Inhaltliche Verengung und Verbindungen zur NPD

Bundesparteiobmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache will zwar nicht von einem automatischen Karriere-Aus für Aula-Autoren sprechen, was fraglos auf den Fall des prominenten ehemaligen steirischen Landesparteiobmanns und FPÖ-Urgesteins Gerhard Kurzmann gemünzt war. Artikel von Mandatsträgern und Funktionären der FPÖ möchte aber auch Strache nicht mehr in der Aula sehen. Es sei „zum jetzigen Zeitpunkt sicher nicht erwünscht“, dort zu publizieren, zumal es in er Aula immer wieder veröffentlichte „Ungeheuerlichkeiten“ und andere Dinge gegeben habe, „die uns nicht gefallen“. Das hat der FPÖ-Chef, der zuletzt genötigt war, mit einer „Entschuldigung“ bei Sänger Cesar Sampson und einer Einladung zu Kaffee und Kuchen Schadensbegrenzung zu betreiben, noch zurückhaltend formuliert. 

Während die FPÖ in den letzten drei Jahrzehnten von der Kleinpartei zur prägenden politischen Kraft Österreichs aufgestiegen ist, an der nicht mehr vorbeiregiert werden kann, ist die einst über die Landesgrenzen hinaus renommierte und einflußreiche Aula im selben Zeitraum zunehmend ins Sektiererische abgedriftet und zum Nischenblatt geworden, das vor allem in Kreisen der fundamentalistischen und extremen Rechten Anklang findet.

Die 1951 gegründete Zeitschrift, die sich als Organ der national-freiheitlichen Korporationen versteht, hatte in den siebziger und achtziger Jahren auch in Deutschland ihre Leserschaft. Der von Andreas Mölzer, Redaktionsmitglied bis 1990, hervorgehobene Mut zu „verschiedenen Standpunkten“ geriet vor allem seit den Neunzigern zum einseitigen Liebäugeln mit Kräften wie der deutschen NPD und den Veteranen ihres 1988 von den Behörden verbotenen und aufgelösten österreichischen Pendants, der NDP.

Für diesen Kurs steht vor allem der gegenwärtige Chefredakteur Martin Pfeiffer, der seit 2004 zusammen mit einer optischen Modernisierung die inhaltliche Verengung der Aula weiter vorangetrieben hat. Seit 2010 ist Pfeiffer auch Vorsitzender der NPD-nahen „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP).

Bereits 1995, nachdem der damalige Chefredakteur und frühere NDP-Mann Herwig Nachtmann für einen Artikel mit holocaust-revisionistischen Sympathien wegen „Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz“ verurteilt worden war, hatte die FPÖ, ebenso wie das Land Steiermark, die Förderung der Aula eingestellt. FPÖ-Chef Strache hat kürzlich erneut hervorgehoben, daß die Partei in der Zeitschrift keine Inserate mehr schalte. Die bekam die Aula dafür zwischenzeitlich von der NPD, ihrer Zeitung Deutsche Stimme oder ihrem Hochschulbund.

Das ererbte, wenn auch verblaßte Ansehen der Aula im freiheitlichen „Dritten Lager“ ließ die FPÖ bisher wohl von schärferen Schritten absehen. Rücksicht auf die Freiheitlichen Akademikerverbände, die zwar keine FPÖ-Organisation sind, ihr aber nahestehen und in ihre Stammwählerklientel wirken, dürfte dabei ebenso eine Rolle gespielt haben wie der Unwille, sich von linken Kampagnen mit dünner Grundlage vorführen zu lassen.

Mit dem jüngsten Skandal scheint für die nunmehrige Regierungspartei FPÖ allerdings der Geduldsfaden gerissen. Auf Druck der Bundespartei kündigten die Freiheitlichen Akademikerverbände Wien, Niederösterreich, Burgenland und Kärnten den Rückzug aus dem Aula-Verlag an. Der ausstiegsunwillige FAV Steiermark, mit 36,8 Prozent größter Miteigentümer, wurde vom steirischen Landesparteiobmann, Verteidigungsminister Mario Kunasek, ins Gebet genommen.

„Das Problembewußtsein ist beim FAV Steiermark angekommen“, teilte Kunasek mit; noch im Juni werde es eine „totale Neuaufstellung“ der Aula geben. Der FPÖ-Generalsekretär und Europaabgeordnete Harald Vilimsky hat dafür schon mal Pflöcke eingerammt: Er gehe von einer „Neugründung“ aus, die nichts mehr mit dem alten Blatt zu tun haben werde; auch der Name werde vom Markt verschwinden: „Die Marke ist so beschädigt, daß sie keine Zukunft mehr hat.“