© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Selbstbedienung im Eiltempo
Die von der Großen Koalition initiierte Erhöhung der Parteienfinanzierung ist verfassungswidrig
Hans Herbert von Arnim

Das Blitzgesetz zur Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung um 15 Prozent stellt eine rechtsstaatliche und demokratische Zumutung dar. Statt die immer wieder gerügten Unzulänglichkeiten der Parteienfinanzierung endlich zu beseitigen, erhöhen die Parteien der Großen Koalition die staatlichen Subventionen ab 2019 von 165 auf 190 Millionen Euro jährlich. Daß so die Parteienverdrossenheit weiter geschürt wird, scheint ihnen nichts auszumachen. Das ist die Arroganz der Macht.

Unmöglich ist bereits das Verfahren. Um die inhaltliche Unhaltbarkeit des Gesetzes zu überspielen, soll es im Eilverfahren durchgeboxt werden. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU- und der SPD-Fraktionen wurde erst am Dienstag der vergangenen Woche bekannt, am Freitag war bereits die erste Lesung im Bundestag, und schon an diesem Montag war eine „Sachverständigenanhörung“ anberaumt. Noch in dieser Woche soll das Gesetz beschlossen werden.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren klargestellt: Wenn die Abgeordneten oder die Parteien sich ihre staatlichen Finanzmittel eigenmächtig erhöhen, das Parlament also in eigener Sache entscheidet, ist die Kontrolle durch die Öffentlichkeit unverzichtbar. Genau diese Kontrolle soll mit dem Schnellverfahren ausgehebelt werden. Es ist auch kein Zufall, daß die Erhöhung unmittelbar vor der Fußball-Weltmeisterschaft kommt, die schon im Vorfeld publizistisch alles in ihren Bann zieht. 

Auch die ganz kurzfristig anberaumte Sachverständigenanhörung war eine Farce. Da hatte die Opposition teilweise Schwierigkeiten, ausreichend vorbereitete Experten hinzuschicken. Dennoch wurden massive Einwände gegen den Gesetzentwurf vorgebracht. Die Fraktionen der Großen Koalition hatten dagegen, wie in früheren ähnlichen Fällen, geneigte Sachverständige längst bei der Hand. Das Ganze sah nach einer Alibiveranstaltung aus, die dem Vorhaben seine Zulässigkeit bescheinigen sollte.

Auch inhaltlich ist die Erhöhung höchst anfechtbar. Die staatliche Parteienfinanzierung steigt ohnehin von Jahr zu Jahr, weil sie an die Geldentwertung und die Einkommensentwicklung angepaßt ist. Darüber hinaus erstmals in der 24jährigen Geschichte der staatlichen Teilfinanzierung eine zusätzliche strukturelle Erhöhung von 25 Millionen Euro vorzunehmen ist in gar keiner Weise gerechtfertigt. Bei früheren Änderungsgesetzen zur Erhöhungen der absoluten Obergrenze war es bloß um Anpassungen an die Preisentwicklung gegangen, weil es damals noch keinen Automatismus gab.

Union und SPD suchen die Erhöhung mit höherem Aufwand für die politische Arbeit, vor allem auch in den sozialen Netzwerken im Internet, und für neue Beteiligungsformen zu begründen. Doch diese Entwicklung gibt es schon lange. Abgesehen davon, daß sie auch zu Einsparungen führen kann, ist das Argument schon deshalb nicht stichhaltig, weil es, wenn es zuträfe, auch für die Oppositionsparteien gelten müßte, diese aber die Erhöhung mit Recht ablehnen. Schon gar nicht kann – anders als die Begründung des Gesetzentwurfs meint – die 2017 gestiegene Wahlbeteiligung ein Argument für die Anhebung der Obergrenze abgeben. 

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Parteienfinanzierungsurteil von 1992 eine solche massive Erhöhung nur bei ganz außergewöhnlichen Umständen gestattet, die hier aber nicht vorliegen. Das Gesetz ist also auch verfassungsrechtlich nicht haltbar.

Die großkoalitionären Parteien wollen die absolute Obergrenze erhöhen, um den Ausfall an Staatsfinanzierung, den sie bewirkt, wettzumachen. Die Obergrenze soll aber ein Bollwerk gegen ein Zuviel an Staatsfinanzierung bilden. Sie markiert das, was den Parteien „äußerstenfalls“ (Bundesverfassungsgericht) zugewendet werden darf. Sie spielte auch bis 2015 keine Rolle, weil die Finanzierung regelmäßig unter der Grenze blieb. Seitdem aber mußte die Obergrenze greifen, um die Finanzierung in den verfassungsrechtlichen Grenzen zu halten. Damals waren nämlich die Staatsgelder, die die Parteien pro Wählerstimme und für Beiträge und Spenden erhalten, massiv erhöht worden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte als Voraussetzung für Steigerungen der Obergrenze, die über die Preiserhöhungen hinausgehen, das vorherige Gutachten einer gut vorbereiteten Sachverständigenkommission vorgesehen, nicht eine auf die Schnelle zusammengeschusterte Alibi-Anhörung. 

Das Gericht hatte die staatliche Parteienfinanzierung durch die absolute Obergrenze gedeckelt, um einer überzogenen Selbstbedienung der Parteien vorzubeugen. Wörtlich schreibt es den Parteien ins Stammbuch:

„Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien ‘bedienten’ sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.“

Genau diese Situation, die das Gericht unbedingt verhindern wollte, beschwört die eilige Selbstbedienung nun herauf. 

Statt im Schnellverfahren ein verfassungswidriges Gesetz durchzupeitschen, wäre es vielmehr geboten, die auch vom Europarat in seinen Berichten aufgeführten Mängel etwa der Spendenpublizität endlich zu beseitigen. Auch bei den Abgeordnetenmitarbeitern fehlt es, wie das Verfassungsgericht moniert hat, an wirksamen Kontrollen, die verhindern, daß die Mitarbeiter für Parteiaufgaben eingesetzt werden und so eine massenhafte heimliche Parteienfinanzierung darstellen.






Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim lehrt als pensionierter Universitätsprofessor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.