© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

G7-Gipfel in Kanada
Der Freihandel schwankt
Michael Wiesberg

Der mit einem Paukenschlag zu Ende gegangene G7-Gipfel in der kanadischen Provinz Quebec stand von vornherein unter einem schlechten Stern. Zu stark ist der Dissens der Teilnehmer im Hinblick auf die von Trump angeregte Rückkehr Rußlands in den Gipfel-Kreis oder die vom US-Präsidenten verhängten Strafzölle. Nun zog ein sich cholerisch gebender US-Präsident auch noch seine bereits zugesicherte Unterstützung zur gemeinsamen Abschlußerklärung der G7 per Tweet zurück, was in dieser Form zweifelsohne ein Affront ist. 

Die Empörung darüber sollte allerdings nicht den Blick dafür verstellen, daß Trump nachvollziehbare Gründe für seine Position hat. Die beiden Fraunhofer-Direktoren Ulrich Blum und Ralf Wehrspohn haben schon vor Wochen darauf hingewiesen, daß es künftig „um den Erhalt technischer Kompetenzen und intakter Wertschöpfungsketten“, die „langfristig geostrategisches und ökonomisches Potential“ haben, gehen werde. Der „Verlust technischer Kompetenzen“ könnte „schwerer wiegen als die Vorteile des Freihandels“. Von diesen Imperativen wird zunehmend sowohl die US- als auch die chinesische Politik getrieben, die Freihandel sowieso nur dann befürwortet, wenn es ihren Interessen nützt. In Europa meint man, diese geopolitische Zeitenwende weiter ignorieren zu können, was insbesondere auch für das freihandelsbesoffene Deutschland bald schmerzliche Folgen haben könnte.