© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Tunahan Kuzu organisiert eine Partei neuen Typs, der in Europa Zukunft haben könnte
Auf Erfolgskurs
Mina Buts

Ist in den Niederlanden heute schon unser politisches Morgen zu besichtigen? Denn dort sitzt mit „Denk“ seit 2017 eine eigene Partei der moslemischen Einwanderer im Parlament, wenn auch vorerst nur mit drei Abgeordneten. Einer von ihnen ist ihr rühriger Generalsekretär Tunahan Kuzu, 1981 in Istanbul geboren, der zusammen mit dem offiziellen Parteichef Selçuk Öztürk zunächst der Partij van de Arbeid, also den Sozialdemokraten, angehörte. Doch mußten sie die wegen ihrer heftigen Kritik an der ohnehin schon laxen Integrationspolitik der PvdA im Jahr 2015 verlassen. 

Mit Denk, das gleichzeitig auch das türkische Wort für Gleichwertigkeit ist, versuchen der Rotterdamer Unternehmensberater und sein Vorsitzender nun vor allem die Interessen marokkanischer und türkischer Wähler zu vertreten: Kuzu hält den angeblichen Rassismus im Land für ein strukturelles Problem, dem Denk durch das Lehren von Migrationsgeschichte und die Einführung von Chinesisch, Arabisch und Türkisch als Wahlpflichtfächern in den Schulen entgegenwirken will. Auch die Ausbildung von Imamen solle diesen anvertraut und Palästina als Staat anerkannt werden. Der Politiker Halbe Zijlstra, von der rechtsliberalen VVD, der von 2017 bis 2018 Außenminister war, glaubt in Denk „Erdogans langen Arm“ zu sehen.

Als es Kuzu und Öztürk im Mai 2015 gelang, mit der bekannten surinamesischen TV-Moderatorin Sylvana Simons eine Frau ins Boot zu holen, sorgte das kurzzeitig für gesteigerte Sympathie. Doch nur wenige Monate später verließ Simons die Partei wieder, die sie als zu „polarisierend“ und gegen „Frauen- und Homosexuellenemanzipation“ gerichtet empfand. Der Versuch der Denk-Führer, für diese Äußerungen eine Entschädigung zu erstreiten, scheiterte. 

Nach wie vor provozieren Kuzu und Öztürk und machen von sich reden: Nicht nur, daß die Partei sich weigert, den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen, sie schwärzt auch Parlamentsabgeordnete türkischer Herkunft anderer Parteien als Vaterlandsverräter an, die den Genozid nicht leugnen. Mit der Folge, daß diese eingeschüchtert und bedroht werden. Als Israels Ministerpräsident Netanjahu 2016 zu Besuch war, trat ihm Kuzu mit einem Pro-Palästina-Anstecker geschmückt entgegen und weigerte sich, ihm die Hand zu schütteln. Und erst vor einigen Wochen sorgte er mit der Äußerung für Aufsehen, bei schwerkranken Niederländern ausländischer Abstammung würde im Krankenhaus der Stecker früher herausgezogen. 

Doch der Erfolg gibt Denk recht: Bei den Kommunalwahlen im März war die Partei in allen 13 Gemeinden erfolgreich, in denen sie angetreten war. Denk ist keine Eintagsfliege, sondern zeigt, wie unintegriert etliche ausländischstämmige Holländer immer noch sind.

 www.bewegingdenk.nl