© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Immer ran an die Buletten
Parteienfinanzierung: Weil der SPD das Wasser bis zum Hals steht, plant die Koalition im Windschatten der Weltmeisterschaft eine Erhöhung der Mittel
Jörg Kürschner

Mit dieser Nummer kommen Sie nicht durch“, empörte sich die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Britta Haßelmann, am vergangenen Freitag im Bundestag. „Haben Sie sich überhaupt Gedanken gemacht, wie das da draußen ankommt?“ fragte der Linken-Abgeordnete Friedrich Straetmanns. Auf der Tagesordnung des Parlaments stand ein kurzfristig von CDU/CSU und SPD eingebrachter Gesetzentwurf zur „Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze“. 

Die Drucksache 19/2509 sieht vor, daß die Parteien jährlich bis zu 25 Millionen Euro zusätzlich aus der Staatskasse erhalten. Die bisherige absolute Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung soll von derzeit etwa 165 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro ab 2019 angehoben werden. Die Koalitionsfraktionen begründen ihr überstürztes Vorhaben mit der „Digitalisierung der Kommunikationswege und Medien“, denen sich die Parteien anpassen müßten. Hinzu kämen „durch Veränderung der politisch-kulturellen und der rechtlichen Rahmenbedingungen bedingte Kosten“, aufgrund von Mitglieder- statt Delegiertenparteitagen oder Mitgliederentscheiden. In den sozialen Medien habe sich eine Vielzahl neuer Foren entwickelt, in denen die Parteien präsent sein müßten und die hohe Einstiegs- und Betriebsinvestitionen erforderten, begründete CDU/CSU-Fraktionsvize Stephan Harbarth das umstrittene Vorhaben. 

Die wortreiche Begründung mit dem bedeutungsschweren Hinweis auf das Grundgesetz („Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“) kann nicht darüber hinwegtäuschen, worum es Union und SPD wirklich geht. Aufgrund ihrer deutlichen Verluste bei der vergangenen Bundestagswahl von insgesamt 13,7 Prozent erhalten sie spürbar weniger Mittel aus dem Haushalt. Gestiegen sind insbesondere bei der SPD aber die Kosten. Drei Parteitage und ein Mitgliederentscheid innerhalb weniger Monate haben ein tiefes Loch in die Parteikasse gerissen. Der Ehrenvorsitzende der FDP-Fraktion, Hermann Otto Solms, kennt den Bundestag seit 1980. „Machen Sie bessere Politik, dann kriegen Sie auch wieder mehr Zustimmung, und dann werden Sie ihre Finanzprobleme auch lösen“, riet der langjährige Schatzmeister seiner Partei den Koalitionsfraktionen. 

Es gibt aber noch einen weiteren gewichtigen Grund für die Selbstbedienungsaktion. Twitter, Instagram, Facebook, WhatsApp-Gruppen, Messenger-Dienste stehen heute für eine Form der Kommunikation, die insbesondere die SPD schlicht verschlafen hat. So heißt es in der zu Wochenbeginn vorgelegten Analyse der Partei über das Wahldebakel wörtlich: „Die SPD sammelt immer noch Pressespiegel von gestern und reagiert eher auf einen Printbeitrag als auf einen erfolgreichen Blog-Post.“ Ernüchtert blickt man im Willy-Brandt-Haus schon länger auf die erst 2013 gegründete AfD. Bei den Facebook-Posts liegen AfD-Fraktionschefin Alice Weidel und Parteichef Jörg Meuthen mit riesigem Abstand vorn. Erst auf Platz 16 verzeichnet die Rangliste eine SPD-Politikerin, Familienministerin Franziska Giffey. Die SPD braucht in der digitalen Kommunikation also dringend einen Neustart. Und der kostet Geld. 

Weidel sieht bei den „Altparteien die letzten Schamgrenzen auf Kosten der Steuerzahler“ fallen. „Die an Wählerschwund leidende SPD braucht Geld und will einen Nachschlag, die Union hilft dem Koalitionspartner bereitwillig und bedient sich selbst kräftig mit“, betonte sie gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Daß dieser kurzfristig auf die Tagesordnung gehievte Fischzug auch noch indirekt mit der eigenen schlechten Medienarbeit begründet wird, sei der Gipfel der Unverfrorenheit.

Daß die Hauruck-Aktion in der kurzfristig angesetzten öffentlichen Anhörung des Bundestagsinnenausschusses am Montag zum Teil auf erhebliche Kritik stieß, störte Union und SPD wenig. Offenbar habe die Koalition Finanzprobleme, die die anderen Parteien nicht hätten, merkte der Politikwissenschaftler Michael Kloß von der Universität München süffisant an. Auf die seit 1966 übliche Einbeziehung der Opposition bei Entscheidungen in eigener Sache werde offenbar verzichtet.