© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Grüße aus Bozen
Ein teures Pflaster
Martin Feichter

Da versteht Mann keinen Spaß. „Ernsthaft jetzt? 2,20 Euro für ein 0,2-Liter-Bier vom Faß?“ fragt ein Bundesdeutscher seinen Südtiroler Bekannten. Die beiden sitzen an einem kleinen Tisch, vor einer Bar, unweit des Waltherplatzes. Es hat schon Tradition, daß Sonnenhungrige aus Deutschland in den Ferien nach Südtirol reisen, und wenn das Wetter für eine Bergwanderung einmal nicht ideal genug ist, so zieht es sie eben in die Stadt.

Auch heute tummeln sich zahlreiche deutsche Touristen dort, um unter anderem ihrem Landsmann, dem Walther, einen Besuch abzustatten.?Noch immer ungläubig starrt der Mann auf den Kassenbon, während ihn sein einheimischer Kollege beschwichtigt.

„Jo, stimmp schun. Ba ins isch des so“, sagt er. Beide trinken einen großen Schluck aus ihrem Glas. „Bozen ist ein ganz schön teures Pflaster“, fährt der Südtiroler fort. „Besonders arg ist es bei den Wohnungen. Wir erreichen das Preisniveau der Innenstädte von Mailand und Rom. Mit 1.800 Euro Nettolohn für einen versierten Angestellten kaum zu stemmen“.

Der Deutsche hört seinem Gesprächspartner gespannt zu. Das Problem mit dem Wohnungsmarkt kennt er von zu Hause. Erst kürzlich hatte Justizministerin Katarina Barley (SPD) angekündigt, die Mietpreisbremse zu verschärfen.

„In keiner Provinzhauptstadt Italiens sind die Preise im Vorjahr so gestiegen wie in Bozen.“

Ein leises Surren hallt durch die gepflasterte Gasse. Eine Frau auf einem E-Bike fährt vorbei. Der Südtiroler beginnt zu schimpfen: „Und hier das nächste Beispiel: Südtirol erzeugt mehr Strom, als es verbraucht – wir Bürger profitieren aber nicht davon“.

„Und da, der Supermarkt dort hinten“, ärgert er sich weiter und zeigt mit seinem ausgestreckten Finger auf das Lebensmittelgeschäft. „Auch hier wird alles teurer. In keiner anderen Provinzhauptstadt Italiens sind die Preise im Vorjahr so stark gestiegen wie in Bozen.“ Der Bundesdeutsche nickt zustimmend. Die beiden Männer trinken ihr Bier aus und stehen auf. Durch eine schmale Gasse gelangen sie auf den Waltherplatz, erblicken die in weißem Marmor gearbeitete Statue des Dichters.

„Ich versteh dich schon“, sagt der Deutsche, während sie sich an Gasthaustischen und Touristengruppen vorbeischlängeln. „Aber bei uns sieht es auch nicht rosig aus. Dennoch: Ihr lebt hier, wo andere Urlaub machen. Ein wunderschöner Flecken Erde.“ „Richtig“, erwidert der Südtiroler. „Dafür zahlen wir auch Touristenpreise – das ganze Jahr über.“