© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Klare Kante zeigen
Christliches Zentralsymbol: Im Feldzug gegen den „Kreuz-Erlaß“ halten sich Bayerns oberste Protestanten zurück
Dirk Glaser

Seit dem 1. Juni gilt in Bayern der „Kreuz-Beschluß“ der Staatsregierung. Im Eingangsbereich jedes Dienstgebäudes hängt daher nun, wie von dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder (51) gewünscht, das christliche Zentralsymbol. Es soll als „grundlegendes Symbol die kulturelle Identität christlich-abendländischer Prägung“ Bayerns zum Ausdruck bringen. Paradoxerweise will Söder selbst das Kreuz „nicht als Zeichen einer Religion“ verstanden wissen, wie er erklärte, als er ein ästhetisch gelungenes Exemplar in der Eingangshalle seiner Staatskanzlei aufhängte. 

Die ungelenke Symbolpolitik traf auf eine fest geschlossene Abwehrfront. Sie reicht von Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) bis zu Reinhard Kardinal Marx, dem Erzbischof von München und Freising, der schon beim kreuzlosen Auftritt auf dem Jerusalemer Tempelberg ein gespaltenes Verhältnis zu einem wichtigen Accessoire seiner Amtstracht offenbarte. Einig ist man sich, daß es sich um ein Manöver mit Blick auf die bayerischen Landtagswahlen im Oktober handle. Die CSU, mit der AfD im Nacken, wolle nun plötzlich klare Kante gegen den Islam zeigen. Dafür nehme ihre „politische Verzweckung des Kreuzes“ (Marx) in Kauf, große Teil der Bevölkerung, neben Muslimen auch Juden und Atheisten, zu „Außenseitern der Gesellschaft“ zu machen. 

Rätselhaft indifferent, so findet der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf, verhalte sich hingegen der andere Kreuz-Verleugner vom Tempelberg, der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm (zeitzeichen, 6/2018). Marx jedenfalls verteidige den Eigensinn des Kreuzes wilder als die nur durch Mangel an theologischer Klarheit auffallende protestantische Kirchenführung. Ob dies an der traditionell lutherischen Staatsfrömmigkeit liege?