© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Volle Drohnung
Rüstung: Unbemannte bewaffnete Flugzeuge sollen für mehr Sicherheit der Soldaten sorgen / Pannen in der Vergangenheit
Peter Möller

Wenn es um bewaffnete Drohnen geht, stehen sich in Deutschland zwei Lager unversöhnlich gegenüber: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die in dem modernen Waffensystem die Möglichkeit sehen, deutsche Soldaten im Einsatz noch besser zu schützen. Für die anderen ist die Drohne dagegen ein Symbol für eine neue Eskalationsstufe des verantwortungslosen, maschinellen Tötens. Diese Frontlinie zieht sich wie ein roter Faden durch die seit Jahren anhaltende politische Diskussion über das Für und Wider der Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr. Die Folge: Bis heute verfügen die deutschen Streitkräfte lediglich über unbewaffnete Aufklärungsdrohnen.

Mit der neuen Generation unbemannter Flugsysteme, für die der Haushaltsausschuß des Bundestages in der vergangenen Woche grünes Licht gab, wird sich dies erstmals ändern – jedenfalls im Prinzip. Denn zwar können die neuen israelischen Drohnen vom Typ Heron TP, von denen die Bundeswehr für die kommenden neun Jahre fünf Einheiten inklusive Bodenstationen leasen wird, bewaffnet werden. Doch damit tatsächlich auch Waffen für die fast 900 Millionen Euro teuren Heron-Drohnen beschafft und Bundeswehrsoldaten daran ausgebildet werden können, ist laut einer Vereinbarung von Union und SPD ein weiterer Beschluß des Bundestages nötig.

Und der ist noch nicht absehbar. Das machte die SPD gleich nach der Entscheidung des Haushaltsausschusses deutlich. „Alle weiteren Schritte im Umgang mit dieser Drohne werden erst auf der Grundlage einer breiten gesellschaftlichen Debatte, die auch juristische und ethische Fragen berücksichtigt, erfolgen“, kündigte SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu an. Wie eine solche breite Diskussion aussehen, wer diese moderieren und schließlich bewerten soll, ist völlig unklar. Kritiker wie der grüne Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner sehen in der angekündigten Debatte denn auch nur ein Ablenkungsmanöver. „Die Koalition hat sich bewußt für eine bewaffnungsfähige Variante der Heron TP entschieden, obwohl bewaffnungsunfähige Alternativen verfügbar sind“, sagte Lindner.

Es kann noch eine Menge schiefgehen

Trotz der ungewissen Entscheidung über eine spätere Bewaffnung der neuen Drohnen-Generation, die von Airbus gewartet und außerhalb der Einsätze voraussichtlich in Israel stationiert werden sollen, zeigte sich der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, zufrieden. „Mit dieser Entscheidung machen wir einen Quantensprung im Bereich der unbemannten Luftfahrzeuge“, sagte er. „Mit der weitaus besseren Aufklärungssensorik und der gleichzeitig längeren Stehzeit in der Luft können wir den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz wesentlich verbessern.“ Was der Luftwaffen-Inspekteur aus politischen Gründen nicht sagte: Die Bundeswehr wartet händeringend darauf, endlich auch auf bewaffnete Drohnen zum Schutz der eigenen Soldaten in Auslandseinsätzen zurückgreifen zu können. Bislang muß die Truppe dabei auf Drohnen von Verbündeten zurückgreifen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hielt sich in der vergangenen Woche auffallend zurück. Die Heron TP soll nur eine Übergangslösung bis zur Entwicklung einer europäischen Drohne sein, die allerdings frühestens 2025 einsatzbereit wäre. Von der Leyens Zurückhaltung hat ihren Grund. Ihr dürfte das Schicksal ihres Amtsvorgängers Thomas de Maizière (CDU) vor Augen stehen. Dieser war 2013 fast über das Millionengrab der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ gestürzt und mußte im Sommer 2013 kurz vor der Bundestagswahl sogar einen Untersuchungsausschuß über sich ergehen lassen. Am 13. Mai 2013 hatte de Maizière entschieden, das Projekt „Euro Hawk“ nach dem Ende der Erprobungsphase abzubrechen und nicht wie geplant vier weitere Modelle des amerikanischen Herstellers Northrop Grumman zu bestellen. Hintergrund war die fehlende Zulassung des Fluggerätes für den europäischen Luftraum – die Maschinen hätten in Deutschland weder starten noch landen dürfen. Vor allem der nach Ansicht der Kritiker späte Zeitpunkt des Abbruchs kurz vor Ende der Erprobungsphase brachte den Verteidigungsminister damals in Bedrängnis – und die nicht unerheblichen Kosten von 500 Millionen Euro.

Das Verteidigungsministerium verwies dagegen darauf, daß zumindest das Fernaufklärungssystem Isis, mit dem die Drohne bestückt werden sollte, einsatzfähig sei. Nach dem Aus für den „Euro Hawk“ müsse nur noch ein neues Trägersystem entwickelt werden. Doch wie so oft bei der Bundeswehr erweist sich auch das als zeitaufwendig. Erst im April dieses Jahres – und damit fünf Jahre nach dem Aus für „Euro Hawk“ – hat die Bundesregierung die Beschaffung von vier Exemplaren der hoch fliegenden Aufklärungsdrohne Triton – ebenfalls hergestellt von Northrop Grumman –, auf den Weg gebracht. Das Projekt unter dem Namen „Pegasus“ wird mit 2,5 Milliarden Dollar veranschlagt. Wann die Flugsysteme der Bundeswehr tatsächlich zur Verfügung stehen werden, ist noch nicht abzusehen. Die Verhandlungen über den Kauf haben gerade erst begonnen. Mit anderen Worten: Es kann noch eine Menge schiefgehen – und vor allem teurer werden.