© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Der Druck auf Gläubige wächst
Menschenrechtlerinnen: Das Christentum im Nahen Osten steht kurz davor, ausgelöscht zu werden
Martina mMeckelein

Rund 200 Millionen Christen werden weltweit wegen ihres Glaubens bedroht, geschunden und getötet. Das sind Zahlen der Hilfsorganisation Open Doors für das Jahr 2017. Zwei Frauen erheben seit Jahren ihre Stimmen gegen die Christenverfolgung. Die eine ist Nonne, die andere Juristin. „Mit dem Begriff Kufar bezeichnen Moslems Christen“, sagt die syrisch-orthodoxe Ordensschwester Hatune Dogan. „Er ist ein Schimpfwort und bedeutet soviel wie nicht würdig zu leben sein, ekelhaft, schmutzig.“ 

„Mit Erklärungen im  Internet ist nicht geholfen“ 

Schwester Hatune sitzt vor ihrem Laptop in der Berliner Wilhelmstraße. Neben ihr die Juristin und Menschenrechtlerin Jaklin Chatschadorian, beide stammen aus Familien mit Verfolgungshintergrund. Die AfD-Fraktion hat die beiden Frauen zum Vortrag in den Bundestag geladen. „Die Ermordung, Unterdrückung und Verdrängung von Christen nimmt immer dramatischere Ausmaße an“, begründet Volker Münz, der religionspolitische Sprecher der Fraktion, die Einladung. „Christenverfolgung findet insbesondere im Orient statt. Dabei ist der wiederum die Urstätte des Christentums.“ Münz erinnert auch an den Mord an 21 Kopten, die von Terroristen des Islamischen Staates am Strand von Libyen, nahe der Stadt Sirte 2015 mit Messern enthauptet worden waren.

Die AfD hatte unlängst einen Antrag im Bundestag gestellt, daß Christenverfolgung geächtet und sanktioniert werden sollte. Am 13. Juni hatte die CDU im Ausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe den Antrag von der Tagesordnung nehmen lassen. „Es bestünde noch Klärungsbedarf“, sagt Münz. Die Folge war, daß genau dieser Antrag am vergangenen Donnerstag nicht im Plenum beraten werden konnte. Im Hinblick auf die weltweit gefährliche Situation, in der Christen leben, ein bemerkenswerter Vorgang.

„Alle fünf Minuten wird laut OSZE weltweit ein Christ getötet, im Nahen Osten steht das Christentum vor seiner Auslöschung“, sagt Chatschadorian. „Allerdings ist mit öffentlichen Erklärungen im Internet niemandem geholfen.“ Die ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Köln greift deshalb auch scharf den Berliner evangelischen Landesbischof Markus Dröge an. Er soll laut Chatschadorian gesagt haben: „Wir wollen nicht öffentlich dramatisieren, da dies die Situation  der Christen in ihrer Heimat noch zusätzlich schadet.“ Ein Zitat, das Dröge auf dem Kirchentag so nie gesagt haben will. Er sei von Vertretern verfolgter christlicher Kirchen im Nahen Osten darauf hingewiesen worden, die Situation nicht öffentlich zu dramatisieren, weil sie sich sonst noch verschärfe. Fest steht: Der Druck auf Christen wächst. Schuld an dem steigenden Verfolgungsdruck habe, so Open Doors, neben dem radikalen Islamismus wachsender Nationalismus in den asiatischen Staaten.

„Die Frau im Islam ist ein Werkzeug, eine Maschine zum Kindergebären.“ Hatune Dorian erlebt die Verfolgung der Christen, aber auch speziell der Frauen weltweit. Für ihre Hatune-Stiftung mit Sitz im nordrhein-westfälischen Warburg betreibt sie in 18 Ländern Projekte, 5.000 Ehrenamtliche setzen sich dafür ein. Sie kümmern sich um Waisenkinder, bauen jährlich 500 Häuser, versorgen alleine in Indien monatlich 7.000 Familien mit Lebensmitteln. Allerdings bemerkt sie auch in Deutschland diese zunehmend sexistische Sicht auf Frauen – gerade durch Flüchtlinge. „Ein geflüchteter Libanese sagte mir gegenüber in einem Gespräch, er dürfe hier in Deutschland jede Frau besteigen, wie er will.“

Um auf die Frauenfeindlichkeit im Islam und die Gefahr, die von ihm ausgeht hinzuweisen, ist sie am 9. Juni auch in Berlin auf dem Frauenmarsch unter dem Motto „Wir sind kein Freiwild“ auf der Pritsche des Lautsprecherwagens mitgefahren. Wäre es denn möglich, daß es sich bei der Christenverfolgung in der Realität, gerade bei uns in Deutschland, nicht um eine Verfolgung, sondern eine Verdrängung handelt. Allein beruhend auf der Vergreisung. Also ein durch die Demographie entstandenes Problem? Chatschadorian sieht die Verfolgung in Deutschland schon heute. „Zum Beispiel werden nach Deutschland geflüchtete orientalische Christen in den Heimen während des Ramadans aus den Küchen vertrieben.“

Die Juristin mit armenischen Wurzeln sieht den Staat in der Pflicht, aber im Moment schwarz für die Christen in Deutschland: „Die Unterstützung verfolgter Christen durch die Politik geht nicht über wohlfeile Sätze hinaus, welche sich wiederum selbst in einem Folgesatz relativieren, um nicht des Rechtsextremismus bezichtigt zu werden.“