© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Mal nach den Rechten sehen
Junge Alternative: Der Bundesvorstand der AfD knöpft sich den Parteinachwuchs vor / Interne Kritiker warnen vor einer Radikalisierung
Christian Vollradt

Kabbeln sich die Kinder, ist ein elterliches Machtwort angebracht. Wie im echten Familienleben, so auch bei Parteien und ihren Nachwuchsverbänden. Und so trifft sich an diesem Freitag der Bundesvorstand der AfD mit dem Vorsitzenden der Jungen Alternative (JA), Damian Lohr, sowie dem stellvertretenden JA-Vorsitzenden Nicolai Boudaghi  zum Rapport. Die Atmosphäre dürfte, so die Erwartungen, angespannt werden. 

Denn spätestens seit ihrem jüngsten Bundeskongreß hängt der Haussegen bei der AfD-Jugend schief. Dort hätten sich „schaurige Szenen“ abgespielt, seien insbesondere Vertreter gemäßigter westdeutscher Landesverbände angepöbelt und beleidigt worden, berichteten Teilnehmer. Einige, darunter Boudaghi, hatten sich per Beschwerdebrief an den Bundesvorstand gewandt (JF 24/18). 

Der hat daraufhin eine Untersuchung  der Vorfälle und Vorwürfe angekündigt. Wie es heißt, hätten einige an der Parteispitze mittlerweile „die Schnauze voll“. Daß es zu einer Aberkennung des Status der offiziellen Jugendorganisation kommt, gilt indes als wenig realistisch. Dafür bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit auf einem Parteitag, was sehr unwahrscheinlich wäre. Denkbar wären als Sanktionen gegen die Unbotmäßigen jedoch eine Kürzung oder Streichung von Zuschüssen durch die Mutterpartei oder auch eine Einschränkung von Mitgliedsrechten. 

Der JA-Vorsitzende Damian Lohr hält solche Szenarien für übertrieben und rät zu mehr Gelassenheit. Gespräche mit dem Bundesvorstand seien ohnehin einmal im Quartal üblich. Was meint er zum jüngsten Bundeskongreß? „Diese Beleidigungen waren keine Einbahnstraße. Ich bin sicher, alle Beteiligten bereuen das inzwischen“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Viele der nun Unzufriedenen „sind selbst schuld, wenn sie zu einem (Bundes)Kongreß, zu dem drei Monate vorher eingeladen wurde, nicht erscheinen. Offenbar wurde der Kongreß nicht von allen ernst genommen.“ Und daß fünf seiner Vorstandskollegen sich schriftlich beim Parteivorstand beschwerten? „Die Arbeit im Vorstand geht weiter wie bisher. Den Brief halte ich für einen Schnellschuß, der das Vertrauen beschädigt hat. Das hätten wir besser intern klären können. Aber Vertrauen kann man wieder aufbauen.“ 

Lohr, einst als Kompromißkandidat von „Rechten“ wie „Gemäßigten“ gewählt, wird von liberal-konservativen Kritikern unterdessen Opportunismus vorgeworfen. Er habe der kleinen, aber lauten Gruppierung von „Rechtsauslegern“ zu sehr nachgegeben, weil er sich so bessere Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz für die Europawahl im kommenden Jahr erhoffe. „Nach meinem Verständnis muß man in so einem Amt jedoch auch mal dagegenhalten und in Kauf nehmen, sich unbeliebt zu machen“, meint Sven Tritschler, einer der beiden Vorgänger Lohrs an der Spitze der JA, im Gespräch mit der JF.  

Die Optimisten unter den „Gemäßigten“ setzen auf Mitgliederwachstum, das ihnen eine Mehrheit sichere. Die Pessimisten blicken dagegen düster in die Zukunft: „Ohne Neugründung mit einer entsprechend bereinigten Mitgliederkartei ist die Sache gelaufen“, mutmaßt ein AfD-Mitglied. „Ich warne vor emotionalen Kurzschlußhandlungen“, wendet ein anderer Liberal-Konservativer ein. Das wäre eine Form der Kapitulation. „Klar ist: die rote Linie ist eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz.“ Ein anderer hält es für einen positiven Nebeneffekt der Krise, daß „endlich der Parteivorstand aufgewacht“ ist. Die JA sei eine „Hypothek für die AfD“.

Nicht unwesentlich in Sachen Kurs wird auch die geographische Frage, wo der nächste Bundeskongreß stattfinden soll. Die Gegner eines harten Rechtskurses sind sicher: Das nächste Treffen mit Vorstandswahlen muß auf jeden Fall in einem westdeutschen Bundesland stattfinden. Und dann, so betont ein gemäßigt Konservativer, „suchen wir die Entscheidung“. Eine Kompromißlösung sei nach den jüngsten Erfahrungen hinfällig.