© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Gefahr für die Ordnung der engen Männergemeinschaft
Publizistik: Die Zeitschrift „Militärgeschichte“ widmet sich in einem längeren Beitrag homosexuellen Soldaten in der Bundeswehr
Oliver Busch

In einer militärgeschichtlichen Zeitschrift Aufsätze über die während des Zweiten Weltkrieges lange sehr erfolgreich gegen angelsächsische Bomberströme operierende deutsche „Nachtjagd“ oder über General Ludendorffs letzte, im Juli 1918 endgültig gescheiterte Großoffensive an der Westfront zu finden, dürfte niemanden überraschen. 

Auch ein Beitrag zur Gedenkkultur, wie ihn die Berliner Doktorandin Christine Strotmann über „Die Toten von 1848“, die auf dem „Friedhof der Märzgefallenen“ in Berlin-Friedrichshain ruhen, fügt sich mittlerweile ein in den großzügig sozial-, kultur- und mentalitätshistorisch erweiterten Begriff von Kriegsgeschichte. So wie ihn auch die vom Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMS) herausgegebene Quartalsschrift Militärgeschichte definiert (Heft 1/2018).

Verurteilungen durch Truppendienstgerichte

Als Außenseiterthema dürfte indes gelten, was der ZMS-Mitarbeiter Oberstleutnant Klaus Storkmann als Hauptbeitrag des aktuellen Heftes behandelt: „Homosexuelle Soldaten in der Bundeswehrgeschichte“. Jahrzehntelang sei dies ein Tabu gewesen. Daran habe auch die Aufhebung (1969) des „widernatürliche Unzucht zwischen Personen männlichen Geschlechts“ sanktionierenden Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches nichts geändert. Daß nicht darüber gesprochen, geschweige denn geforscht wurde, bedeutete nicht, das Phänomen habe es in der Bundeswehr nicht gegeben. Sie war insoweit stets ein Spiegel einer Gesellschaft, in der die 1935 von der NS-Justiz verschärfte, jegliche sexuelle Handlung unter Männern bestrafende Fassung des Paragraphen weitergalt. Rund 50.000 Männer wurden zwischen 1949 und 1969 deswegen verurteilt. Waren sie Soldaten, folgten Verurteilungen durch die Truppendienstgerichte, die oft auch in Entlassungen mündeten.

Aber auch nach der Entkriminalisierung hielt die Bundeswehr an deren disziplinarer Ahndung fest. Und zwar aufgrund des auch bei den angelsächsischen Bündnispartnern geltenden Axioms der Gefahr für die „innere Ordnung der engen Männergemeinschaft“, deren Kampfkraft homosexuelle Soldaten untergrüben. Von antiken Auffassungen unterschied sich diese Überzeugung deutlich, denn, wie Robin Lane Fox berichtet („Die klassische Welt“, Stuttgart 2010), es seien Vorteile von „Schwulen in der Armee“ seit Sokrates’ Zeiten erörtert und etwa die Siege der „Heiligen Schar“ Thebens auf homoerotische Beziehungen zurückgeführt worden, die diese 300 Infanteristen verbanden.

Wie der „Fall“ des Vier-Sterne-Generals Günter Kießling gezeigt habe, der 1983 fälschlich unter Verdacht geriet und später rehabilitiert wurde, gehörte die Ächtung der Homosexualität lange nach 1969 auch unterhalb der Schwelle des Disziplinarrechts zum Korpsgeist der Armee. Erst seit 2000 änderte sich die Haltung des Dienstherrn Bundeswehr. Homosexualität gilt seitdem weder als Gefahr für die Disziplin noch (wegen des Erpressungspotentials) als Sicherheitsrisiko.

Kontakt: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung. Herausgegeben vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Potsdam, erscheint viermal im Jahr. Ein Jahresabo kostet 14 Euro inklusive Versandkosten. 

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