© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Weniger Text, dafür länger verfügbare Videos
Die Ministerpräsidenten, Verlage und Öffentlich-Rechtlichen einigen sich auf ein neues Telemediengesetz
Ronald Berthold

Der Jubel war groß. „Es gibt heute nur Gewinner“, frohlockte Mathias Döpfner. Der Axel-Springer-Chef und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) freute sich über einen „fairen Interessenausgleich“ bei den Verhandlungen über den Telemedienauftrag. Aber stimmt das auch? Die Ministerpräsidenten hatten beschlossen, daß ARD, ZDF und Deutschlandradio bei ihrer Online-Berichterstattung keine Texte mehr in den Vordergrund stellen dürfen. Darum hatten die Printverlage jahrelang gekämpft.

Filmproduzenten zeigen sich fassungslos

Gleichzeitig aber entschieden die Länderchefs, die „Sieben-Tage-Regelung“ abzuschaffen. Bisher war es den Sendern nur eine Woche lang erlaubt, ihre Produktionen in den Mediatheken zu präsentieren. Darüber dürften sich viele Zuschauer freuen, aber das macht die Filmwirtschaft zum großen Verlierer der Einigung. Alfred Holighaus, Präsident von deren Spitzenorganisation, zeigte sich „fassungslos, daß die Politik die Bedenken der audiovisuellen Kultur- und Kreativwirtschaft komplett ignoriert und bis auf das Verbot der Presseähnlichkeit ausschließlich Interessen der Sendeanstalten bedient hat“.

Holighaus hat nicht unrecht. Die Filmproduzenten, die von ARD und ZDF bescheiden honoriert werden, können ihre Werke kaum noch anderweitig – zum Beispiel als DVD – verwerten. Das wird finanzielle Verluste zur Folge haben. Die Politiker haben die Öffentlich-Rechtlichen zu Lasten der privaten Zulieferer gestärkt. Dies ist offenbar der Preis dafür, daß die Politiker den Schwerpunkt der Online-Portale auf Bewegtbild und Ton gelegt haben. Sie verschaffen damit den Presseverlagen Luft, die wegen der drastischen Auflagenverluste ums Überleben fürchten und mit ihrer Digitalisierung Geld verdienen wollen.

Nicht nur Döpfner war deswegen zufrieden. Auch der ARD-Vorsitzende , Ulrich Wilhelm, lobte die Ministerpräsidenten: „Natürlich mußten alle Beteiligten Zugeständnisse eingehen. Am Ende macht die Einigung der Länder aber den Weg frei, uns gemeinsamen Herausforderungen in einer sich rasant verändernden Medienwelt zu stellen.“ Dem schloß sich ZDF-Intendant Thomas Bellut an und sprach von einem „wichtigen Schritt“.

Vor allem für die ARD bedeutet der Kompromiß aber auch einen Rückschlag. Die Sendeanstalt hatte ihre Webseite mit hohen Millionenbeträgen zu einer Art Internetzeitung ausgebaut. Die Beitragszahler finanzieren eine große Redaktion, die den Printerzeugnissen gehörig Konkurrenz macht – zumal Inhalte und politische Tendenz einander gleichen. Die FAZ meldet Zweifel an, ob die ARD ihr Text-Angebot tatsächlich zurückfahren wird. Sie wirft dem Sender vor, den „mit harten Bandagen ausgefochtenen Interessenkonflikt bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag eskaliert“ haben zu lassen. Offen beschreibt das Blatt den Existenzkampf: „Für Zeitungen und Zeitschriften geht es um alles oder nichts. Sie müssen mit ihren Texten im Netz Geld verdienen, und das können sie nicht, wenn es eine durch den Rundfunkbeitrag von allen zwangsweise finanzierte Quasi-Presse gibt.“ Die Länder-Parlamente müssen der Einigung noch zustimmen. Dann würde der Telemedienauftrag Teil des Rundfunkstaatsvertrages.

Derweil geht die Diskussion um den Rundfunkbeitrag weiter. Sechs Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen – schlagen eine automatische Steigerung in Höhe der Inflationsrate vor. Den Öffentlich-Rechtlichen ist das zuwenig – auch weil das Sextett damit die Forderung verknüpft, einen Schwerpunkt auf Information, Bildung und Kultur zu legen. Unterhaltung habe keine Priorität. Vorteil für die Sender: Die politische Diskussion um den bisher langwierigen Prozeß einer Gebührenanpassung samt kritischer Prüfung durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) würde entfallen, und der Rundfunk zumindest hier aus der Schußlinie kommen.

Auch wenn die Sender wenig begeistert sind, geht die Idee auf ihre eigene Forderung zurück. Allerdings wollten sie einst eine „rundfunkspezifische Teuerungsrate“, die aber über der Inflation läge. Nun würde der Finanzbedarf bei der jetzigen Kaufkraft der Beiträge eingefroren.