© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Frustriert und unterfordert
Peter Möller

Der Bundestag ist eine Welt für sich. Er besteht nicht nur aus dem imposanten Reichstagsgebäude, sondern umfaßt im Regierungsviertel zahlreiche weitere Gebäude mit Tausenden Büros, Besprechungs- und Anhörungsräumen, Kantinen, Restaurants, Cafés, Geldautomaten, einem Reisebüro – und einer eigenen Polizeieinheit.

Grundlage ist Artikel 40 des Grundgesetzes, der dem Parlamentspräsidenten das Hausrecht und die Polizeigewalt in den Gebäuden des Bundestages überträgt. Ohne die Erlaubnis von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) kann keine andere Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft im Bundestag tätig werden. Dadurch soll die Gewaltenteilung gewahrt und verhindert werden, daß Exekutive und Judikative in die Arbeit der Legislative eingreifen.

Im Parlamentsalltag fällt die rund 200 Mann starke Bundestagspolizei allerdings kaum auf. Das liegt zum einen daran, daß die Beamten keine Uniform, sondern zumeist dunkle Anzüge tragen. Doch es gibt noch einen Grund: Die Ordnungshüter haben außer Routineaufgaben wie etwa Wachdienst kaum etwas zu tun. Die Fälle, in denen es in den Liegenschaften des Bundestages um Diebstahl, Verstoß gegen das Waffengesetz oder gar um Drogen geht, sind sehr überschaubar.

In der Zeitschrift Zwischenruf des Verbandes der Beschäftigten der oberen und obersten Bundesbehörden (VBOB) hat sich daher nun ein junger Parlamentspolizist seinen Frust von der Seele geschrieben und damit eine Diskussion losgetreten. Der Vorwurf des Mannes: Er habe zwei Jahre die körperlich und geistig anspruchsvolle Ausbildung als Polizist absolviert und sei nun bei seinem Dienst im Bundestag hoffnungslos unterfordert. Statt auf Verbrecherjagd zu gehen, müsse er Räume aufschließen, Aktenkoffer von A nach B transportieren oder zur Hilfe eilen, wenn wieder einmal ein Fahrstuhl steckengeblieben ist. „Man fühlt sich wie ein Hochleistungssportler, der es immer nur schafft, sich aufzuwärmen und Gefahr läuft, zusehends seine Fertigkeiten zu verlieren“, schreibt der junge Polizist, der zudem beklagt, es werde Beamten schwergemacht, aus dem Bundestag in eine „richtige“ Polizeieinheit versetzt zu werden. Dabei schwingt der Vorwurf mit, den Anwärtern seien von den Verantwortlichen bei der Beschreibung ihrer künftigen Aufgaben falsche Versprechungen gemacht worden.

Daß sich erst jetzt Unmut regt, hat einen einfachen Grund. Erst seit kurzem bildet die Bundestagspolizei in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei selbst aus. Bislang rekrutierte sich Schäubles Truppe aus langgedienten Beamten anderer Stellen, die den ruhigen Dienst im Parlament offenbar zu schätzen wußten. Anders die jungen, motivierten Polizisten am Anfang ihrer Dienstzeit, die von ihrem Berufsleben mehr erwarten, als Gäste auf der Besuchertribüne des Plenarsaales zu ermahnen, nicht zu laut zu reden. Doch es gibt Hoffnung: Nach dem Hilfeschrei des Nachwuchspolizisten hat die Bundestagsverwaltung nun entschieden, daß frisch ausgebildete Beamte den Bundestag künftig bereits nach einem Jahr wieder verlassen können, um bei einer „richtigen“ Polizeieinheit zu dienen.