© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

„Der Euro ist nicht sicher“
Ludwig-Erhard-Symposium 2018: Anläßlich von „70 Jahren Wirtschafts- und Währungsreform“ wurden politische Eingriffe bei der Digitalisierung kritisch hinterfragt
Elias Huber

Unruhe sei im Ministerium aufgekommen, als die Einladung von Roland Tichy ins Haus geflattert sei, erklärt Peter Altmaier. Der Bundeswirtschaftsminister hielt die Eröffnungsrede beim Berliner Ludwig-Erhard-Symposium am Donnerstag voriger Woche. Die Frage sei diskutiert worden: „Soll der Minister hingehen?“ Tichy, der Präsident der Ludwig-Erhardt-Stiftung ist, übe starke Kritik an der Regierungspolitik in seinem Magazin Tichys Einblick. Schließlich habe Altmaier eingewilligt: „Ich wollte die kritischen Artikel von Herrn Tichy lesen, bin aber an der Bezahlschranke gescheitert“, scherzt der Minister.

Thema waren die Herausforderungen der Digitalisierung für Wirtschaft und Währung. Altmaier bekannte sich zu Ludwig Erhard, nannte dessen Leistungen „unerreicht“. Es sei bedenklich, daß Profitstreben heutzutage diffamiert werde – entgegen den Auffassungen Erhardts. Mit Blick auf die Digitalisierung meinte der Minister: „Mir macht Sorgen, daß die Gründerzahlen seit einigen Jahren in Deutschland zurückgehen.“ Die Bundesrepublik habe kaum bedeutende IT-Unternehmen hervorgebracht. Nun müsse das erste System zum autonomen Fahren aus Deutschland kommen, sonst gingen viele Arbeitsplätze in der Autobranche verloren. Der Staat müsse in die Forschung investieren.

Justus Haucap verteidigte bei der Digitalisierung den freien Wettbewerb. Der Wettbewerbsökonom der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nannte als Beispiel für staatliche Einmischung die EU-Datenschutzverordnung. Kleine Unternehmen falle es schwerer als großen, solche Regelungen umzusetzen. „Mark Zuckerberg forderte bei einer Anhörung im amerikanischen Kongreß eine EU-Datenschutzverordnung für die USA. Das zeigt, wer von diesen Vorschriften profitiert“, meint der Professor. Die Politik konzentriere sich auf den Breitbandausbau, weil dort weniger Widerstand zu erwarten sei. Doch selbst beim schnellen Internet liege Deutschland nur im Mittelfeld.

Mißtrauen in die gegenwärtige Geldordnung

Thomas Falk, Chef der Risikokapitalgesellschaft eValue AG, bemängelte ebenfalls die Staatseinmischung. Seine Firma investiere jedes Jahr in hundert Unternehmen, von denen ein einziges das Hundertfache des ursprünglichen Investments einbringe. Die Zukunft bei der Digitalisierung gehört laut Falk den Drohnen. Sie würden traditionelle Transportsysteme ersetzen, zum Beispiel bei der Paketbeförderung. Und dank Blockchain-Technologie werde ein Kunde wissen, woher genau die verdorbene Tomate aus dem Supermarkt stamme. Unternehmen würden mittels Spracherkennungsprogrammen neue Mitarbeiter einarbeiten.

Thomas Mayer und der EU-Abgeordnete der Grünen, Sven Giegold, lieferten sich einen verbalen Schlagabtausch über Bitcoin und den Euro. Mayer, der Chefvolkswirt bei der Deutschen Bank war, sieht Bitcoin als eine Revolution an, vergleichbar mit dem Übergang vom Metall- zum Papiergeld. „Bitcoin ist ein Kind der Krise“, sagte der Direktor des Flossbach von Storch Research Instituts. Es sei entwickelt worden aus Mißtrauen in die gegenwärtige Geldordnung. Giegold wehrte sich gegen die libertäre These, Bitcoin werde das staatliche Geld verdrängen. „Der Staat könnte – obwohl ich das nicht unterstütze – Bitcoin verbieten oder Forderungen in Bitcoin rechtlich nicht durchsetzen“, erklärte der EU-Abgeordnete.

Beide Ökonomen waren sich einig, daß die Krise nicht vorüber sei. Laut Giegold schlummerten „erhebliche Risiken“ im Bankensystem. Mayer gibt den Rettungsmaßnahmen eine Erfolgswahrscheinlichkeit von unter 50 Prozent: „Der Euro ist nicht sicher.“ Während Mayer keine Lösungsvorschläge machte, forderte Giegold mehr Einmischung der Europäischen Union: „Es wäre zukunftsvergessen, den Euro durch Renationalisierung kaputtzumachen.“ Dies brachte dem Grünen-Politiker den einzigen Applaus während der Debatte ein.

Rede von Roland Tichy beim Erhard-Symposium zum Thema „Neue Dynamik für die Digitalisierung von Wirtschaft und Währung“.

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