© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Frisch gepresst

Rom. Die römische Geschichte diente Historikern oft als Folie ihrer jeweils eigenen Zeit. Der wohl größten Beliebtheit erfreuten sich dabei Verfall und Ende des römischen Imperiums. In seiner Monographie „Der Untergang Roms im abendländischen Denken. Ein Beitrag zur Geschichtsschreibung und zum Dekadenzproblem“ hat Walther Rehm schon 1930 die lange Tradition der kulturkritischen Funktionalisierung der römischen Antike beschrieben. FAZ-Redakteur Simon Strauß vergleicht in diesem Kontext Theodor Mommsens heute nur Spezialisten bekanntes „Römisches Staatsrecht“ (1871/88) mit Matthias Gelzers forschungshistorisch Epoche machender Studie „Die Nobilität der römischen Republik“ (1912). Ob der liberale Volkspädagoge Mommsen auch im Textlabyrinth des „Staatsrechts“ der wilhelminischen Klassengesellschaft ein Ideal römischer, durch Leistung für das Gemeinwohl geprägter Bürgerlichkeit vorhalten wollte, läßt Strauß zwar in der Schwebe. Aber er arbeitet heraus, daß es für politisch-weltanschauliche Ausmünzungen genauso „anschlußfähig“ war wie Gelzers „Nobilität“, deren Rezeption überhaupt erst durch die von Althistorikern seit 1968 vollzogene sozialhistorische Wende in Schwung kam. (dg) 

Simon Strauß: Von Mommsen zu Gelzer? Die Konzeption römisch-republikanischer Gesellschaft in „Staatsrecht“ und „Nobilität“. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017, gebunden, 262 Seiten, 56 Euro





Dialog. Sie regiere, stellte die Bundeskanzlerin vor kurzem fest, ein gespaltenes Land. Mit dieser Bewertung der politisch-gesellschaftlichen Situation Deutschlands steht sie beileibe nicht allein da. Selten jedoch melden sich Politiker, Publizisten, Kulturschaffende oder Journalisten zu Wort, die neben der Lageanalyse auch konkrete Lösungsvorschläge vorlegen. Diese Lücke zu füllen versucht Frank Richter mit seiner Streitschrift „Hört endlich zu!“ Die Spaltung sei vor allem das Resultat des „allgemein verbreiteten Unwillens“, der jeweiligen Gegenseite zuzuhören und Kompromisse auszuhandeln, verdeutlicht der Theologe. Es gehe im demokratischen Diskurs jedoch nicht um absolute Wahrheiten, sondern um „gemeinsame Wege und tragfähige Kompromisse“. Zu oft verliert sich der Dresdner aber in Eindrücken seiner DDR-Vergangenheit, ehe der Gründer der „Gruppe der 20“ zu seinen vier Forderungen für eine demokratischere Auseinandersetzung kommt. (ls)

Frank Richter: Hört endlich zu! Weil Demokratie Auseinandersetzung bedeutet. Ullstein Verlag, Berlin 2018, gebunden, 96 Seiten, 10 Euro