© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Messi für 18 Cent
Seit Jahrzehnten locken die Panini-Fußballerbilder kleine und große Kinder
Boris T. Kaiser

Es gehört zu den liebenswerten Charaktereigenschaften des „starken Geschlechts“, sich das sprichwörtliche innere Kind ein Leben lang zu bewahren. Die eigene Infantilität in ihrer schönsten Form leben viele Männer alle zwei Jahre bei der Fußball-Weltmeisterschaft beziehungsweise -Europameisterschaft aus. In dieser Zeit kann der von den Beschwerlichkeiten und der Verantwortung des Erwachsenseins gebeutelte Mann, ohne schief angeguckt zu werden, wochenlang im Trikot seiner Nationalmannschaft herumlaufen. Vielleicht sogar mit Nummer und Namenszug seines Lieblingsspielers, also quasi als sein Idol verkleidet ein Stück weit das Leben als Fußballprofi führen, von dem er als Junge auf dem Bolzplatz geträumt hat.

Eine weitere Möglichkeit, in dieser Zeit an die Träume und Freuden als kleiner Junge anzuknüpfen, ist das Sammeln von Panini-Bildern. Sei es mittlerweile mit den eigenen Kindern oder einfach für sich selbst, weil man nie damit aufgehört hat. Bei manch einem ist die Treue zu den Fußballsammelbildchen aus der Kindheit gar so groß, daß er sie sich in seine neue Heimat im Ausland schicken läßt, weil es sie dort nicht zu kaufen gibt, er aber dennoch nicht mit der persönlichen Tradition brechen will und sein WM-Album vollbekommen möchte. 

Überhaupt hat die Panini-Leidenschaft durchaus ihren Preis. Wer sich das Heft zur aktuellen WM in Rußland gekauft hat, hat 682 freie Plätze mit Stickern zu füllen. 123,30 Euro würde der Spaß kosten, wenn man mit jedem gekauften Bildertütchen einen dieser freien Plätze bekleben könnte. Dies ist natürlich utopisch. Schließlich kann man in die Tüten nicht hineingucken und wird deshalb so manchen Spieler doppelt kaufen, während man bei der Jagd nach anderen schier verzweifeln wird. Fans vermuten schon immer, daß es bestimmte Fußballstars seltener gibt als andere. Die Firma Panini weist diesen Vorwurf allerdings weit von sich.

870 Euro für ein komplettes Album

Die Wirtschaftswoche hat ausgerechnet, daß ein Sammler rein statistisch 4.840 Aufkleber kaufen müßte, um ein komplettes Album zusammenzubekommen. Beim normalen Einkaufspreis von 18 Cent pro Sticker wären das rund 870 Euro. Es könnte sich angesichts der deutlich erhöhten Weiterverkauf-Preise auf dem „Schwarzmarkt“ durchaus lohnen, Bilder gezielt einzeln zu kaufen. Für Panini-Ultras ist das allerdings eine absolute Schummel-Todsünde.

Wer noch zur Schule geht, hat es da einfacher. Zumindest meistens. Einige Schulen sind inzwischen panini-freie Zonen. Obgleich Generationen von Schülern die Fußballbilder relativ unbescholten in den Pausen getauscht oder darum gemurmelt haben, fühlen sich einige Schulleitungen dazu bemüßigt, diese aus ihrer Lehranstalt zu verbannen.

Der Begeisterung für den Verkaufsschlager des italienischen Verlagshauses tun solche Spielverderber freilich keinen Abbruch. Auch im Jahr 2018 verkaufen sich die so traditionsreichen Aufkleber noch immer wie heiße Stadionwürste. Immerhin in diesem Bereich des Weltfußballs zählt Deutschland noch zu den Spitzenreitern. Kein anderes Volk in Europa zeigte und zeigt beim Sammeln so viel Elan wie die Deutschen. Die WM 2006 im eigenen Land hat diesen natürlich nochmals befeuert.

Allein die Brasilianer überflügeln uns vielleicht noch in Sachen Panini-Manie. Der brasilianische Youtuber und Fußballfan Henrique Pedrotti hat seinen VW-Oldtimer zur Fußballweltmeisterschaft mit mehr als 15.000 Panini-Sammelbildern beklebt. Für Oldtimer-Freunde mag 

der Wagen damit deutlich an Wert verloren haben, für Panini-Fans dürfte der verrückteste Käfer seit Herbie Gold wert sein.

Volle Alben aus den Kult-Jahren der 1970er und 1980er erzielen bei Versteigerungen jedenfalls Werte von mehreren hundert Euro. Einem Sammler aus Bremerhaven sollen für seine komplette Sammlung seit Band eins des Albums gar 15.000 Euro geboten worden sein.