© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Streit um Brexit-Strategie
British Angst
Thorsten Brückner

Es gibt sie noch. Die Politiker mit Rückgrat, die nicht an ihrem Stuhl kleben und die bereit sind, für ihre Überzeugungen im Notfall auch zurückzutreten. Es gibt sie. In Großbritannien. David Davis und Boris Johnson haben mit ihren Demissionen das Richtige getan. Der Druck auf Premierministerin Theresa May wächst dadurch in ihrer eigenen Partei noch weiter. „Brexit heißt Brexit“, wiederholte May seit sie vor zwei Jahren ins Amt kam gebetsmühlenartig. Genau daran gibt es nach dem Kompromiß, den das Pro-EU-lastige Kabinett Mays am vergangenen Freitag auf dem Landsitz Chequers schloß, erhebliche Zweifel. Als die Briten sich im Juni 2016 für den Austritt aussprachen, votierten sie ganz sicher nicht für eine De-facto-Zollunion und Personenfreizügigkeit light. 

Die Eckpunkte Mays wirken wie ein Kniefall vor EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Für die britische Verhandlungsposition ist das fatal. Wenn es um ihre Interessen geht, sind EU-Bürokraten wie Hunde, die die Angst ihres Gegenübers förmlich riechen können und das skrupellos ausnutzen. Statt wie das Kaninchen vor der Schlange auf die EU zu schielen, sollte Großbritannien einen selbstbewußten Kurs einschlagen und schlimmstenfalls auf ein Abkommen verzichten – in dem Wissen, daß sich die EU nur selbst schadet, wenn sie die Briten vor den Kopf stößt. Die Angst Londons konterkariert den Mut, den die Briten mit dem „Leave“-Votum bewiesen haben.