© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Ländersache: Berlin
Immer diese Radfahrer
Ronald Berthold

Berlin ist mit seinen knapp 900 Quadratkilometern genauso groß wie München, Hannover, Stuttgart, Mainz, Flensburg und Lindau zusammen. Es ist kein Problem, innerhalb der Stadt mit dem Wagen weit mehr als eine Stunde unterwegs zu sein, um von einem Ort zum anderen zu kommen – ohne Stau wohlgemerkt. Doch die Hauptstädter sollen künftig vor allem mit dem Fahrrad unterwegs sein. So hat es der rot-rot-grüne Senat in seinem „Mobilitätsgesetz“ beschlossen.

Der Autoverkehr wird massiv zurückgedrängt, die Straßen verengt, dafür aber die Radwege deutlich verbreitert. Während Parkflächen für Autos verschwinden, sollen 100.000 Fahrradstellplätze entstehen. 2018 und 2019 gibt die Landesregierung 100 Millionen Euro für den Ausbau der Radinfrastruktur aus. Schon jetzt steht der Autoverkehr in der Stadt mit seinen knapp 3,6 Millionen Einwohnern häufig mehr, als daß er rollt. Und von 22 bis 6 Uhr gilt fast durchgängig Tempo 30. Das heißt: Wer sich freut, nachts endlich ohne Verkehrsbehinderung von A nach B zu gelangen, den bremst die Verkehrspolitik aus, weil er durch die Stadt schleichen muß.

Die „grünen Ampelwellen“ gehören auch der Vergangenheit an. Viele Staus sind künstlich erzeugt und nerven die Autofahrer – und das sollen sie auch. Dem Senat ist jedes Mittel recht, den motorisierten Individualverkehr zu schikanieren. Wer nicht aufs Rad umsteigt, hat Pech. Das gilt inzwischen sogar für die Polizisten: „Die Fahrradstaffel der Berliner Polizei wird sukzessive ausgebaut“, heißt es in dem Gesetz. Die Beamten sollen offenbar künftig nicht mehr mit Martinshorn und Blaulicht zum Banküberfall fahren, sondern gemütlich radeln.

Doch nicht nur der Radverkehr genießt Vorfahrt: Straßen und Plätze sollen künftig so umgestaltet werden, daß sie „als Ort der Begegnung, des Verweilens, der Erholung, der Kommunikation und des Spielens genutzt werden können“. Straßen erhalten eine neue „Zweckbestimmung“, Kritiker sagen „Zweckentfremdung“.

Die vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geführte Regierung plant neben zahlreichen neuen Radwegen „mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen“ – natürlich zu Lasten des Autofahrers. Der Pkw-Besitzer finanziert mit seinen KfZ-Steuern den Rückbau der Straßen und Parkplätze. Der Radfahrer dagegen – der künftig das Straßenbild dominieren soll – beteiligt sich nicht. Als „verfestigten Autohaß“ hat daher der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Scholtysek, das Gesetz kritisiert. Individualverkehr werde mit allen Mitteln ausgebremst, „einseitigen Interessen der Fahrradlobby willig nachgegeben und so die Mobilität der Stadt linker Ideologie geopfert“. Wenn Rot-Rot-Grün dieses Gesetz umsetze, „steht in Berlin bald alles still oder schleicht nur noch im Schneckentempo. Metropole geht anders“, meint er.

Zu dieser Politik gehört auch, daß die Prachtstraße Unter den Linden vom Brandenburger Tor bis zum Stadtschloß komplett für den privaten Autoverkehr gesperrt wird. Nur Busse, Taxen dürfen noch dort fahren – und Politiker. Für die gilt eine Ausnahme. Bleibt den Autofahrern der Berliner Ring. Mit einer Länge von 196 Kilometern umrundet die Autobahn die Hauptstadt. Für Radler wäre das ein bißchen zuviel des Guten.