© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Wettrennen zu den Goldminen im Weltall
Der Industrieverband BDI schwärmt davon, die kosmischen Reichtümer endlich ausbeuten zu können
Dirk Glaser

Anläßlich des sechsten Rohstoffkongresses in Berlin veröffentlichte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein futuristisches Positionspapier: „Weltraumbergbau: Aufbruch zu neuen Sternen“. Es soll politische Aufmerksamkeit auf eine bislang als Sciene-fiction wahrgenommene Rohstoffquelle – die erdnahen Asteroiden – lenken. Schließlich haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, Rechts- und Investitionssicherheit für nichtstaatliche Unternehmungen zu schaffen, die das Wagnis einer kosmischen Ressourcenbeschaffung eingehen wollen. Dafür bedürfte es eines nationalen Weltraumgesetzes sowie der finanziellen Förderung und Absicherung innovativer Projekte.

Auf den ersten Blick scheint der BDI hier eine schlüssige Strategie zu verfolgen, denn die „Energiewende“ steuert auf peinlichste Ressourcenengpässe zu. E-Mobilität, Windräder und die Digitaloffensive sind auf ausreichend Nachschub von Kobalt, Lithium und Seltenerdmetallen angewiesen. Ob der Bedarf durch Rohstoffpartnerschaften oder bereits abgesteckte Manganknollen-Claims auf dem Grund des Pazifischen und Indischen Ozeans (JF 52/17) langfristig zu sichern sein wird, ist fraglich.

Alternativen eröffnen sich zwar nur in den unermeßlichen Weiten des Alls, sind aber extrem verlockend. Asteroiden, etwa 150 bis 300 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, die neben dem Mars am meisten favorisierten Objekte des Begehrens, gelten nämlich als wahre Rohstoffbomben, als Gold- und Platinminen des Universums, die darüber hinaus ein breites Spektrum terrestrisch seltener Metalle offerieren. Und die noch einen weiteren Vorteil gegenüber dem Bergbau auf der Erde aufweisen sollen: die Schätze liegen auf ihrer Oberfläche und lassen sich im Tagebau quasi abweiden.

Innovative Technik und preiswerte Weltraumflüge

Plausibel klingt auch, was der BDI zur technologischen Infrastruktur ausführt, die für diese Ernte im All erforderlich ist. Deutschland verfüge als eine der seit dreißig Jahren führenden Luft- und Raumfahrtnationen nämlich über das entwicklungsfähige Potential, um jene Großraumsatelliten zu konstruieren, die an den Asteroiden andocken können. Technisch „machbar“ wäre die Ressourcen-Beschaffung aus dem All also mittelfristig schon. Daß sie sich noch lange Zeit ökonomisch nicht „rechnen“ wird, räumen BDI und Investoren angesichts der 80.000 Euro, die heute der Transport eines Kilo Masse mit einer US-Trägerrakete kostet, freimütig ein.

Doch weder ökonomische noch technische Probleme tun der BDI-Euphorie Abbruch, die von einer deutschen Vorreiterrolle im kosmischen Bergbau träumt. Das dafür heute vorrangig wichtige Etappenziel wäre erreicht, würde die Bundesregierung endlich ein Gesetz zum Weltraum-Bergbau verabschieden, soll Deutschland nicht den Anschluß an Staaten wie Luxemburg oder Peru verlieren, die tatsächlich über ein solches Gesetz verfügen. Genau wie die USA, die seit 2015 ihre kosmische Rohstofferschließung auf eine gesetzliche Grundlage stellten, und wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die ein Gesetz vorbereiten.

An Luxemburgs Gesetz vom 20. Juli 2017, das in Artikel 1 festlegt: „Die Ressourcen des Weltraums können in Besitz genommen werden“, müßte sich die Bundesregierung nach dem Willen des BDI nur orientieren, um Investoren den Zugriff auf die Reichtümer des Universums zu erleichtern. Ein höheres Tempo des Gesetzgebers käme auch dem Fiskus zugute. Seien doch zwischen 2000 und 2016 weltweit nicht weniger als 16 Milliarden Euro in die private Weltraumforschung geflossen.

Im Banken- und Steuerparadies Luxemburg, wahrlich keine Weltraumnation, befeuerten diese finanziellen Aussichten die Entschlußfreude des Gesetzgebers jedenfalls maßgeblich. Denn US-Firmen wie Planetary Resources und Deep Space Industries, die sich als Pioniere des kosmischen Bergbaus sehen, haben sich in dem Kleinstaat bereits angesiedelt, um demnächst als Gesellschaften luxemburgischen Rechts ihre Geschäftsziele im All zu verfolgen.

Für den in Bologna und Paris lehrenden Völkerrechtler Lorenzo Gradoni weckt indes gerade das gerühmte luxemburgische Modell Assoziationen an die berüchtigte Börsendevise: Gier frißt Hirn. Werde doch beim darwinistischen Wettrennen der nationalen Gesetzgeber ignoriert, daß der Weltraum so wie die Weltmeere der gesamten Menschheit vorbehalten ist. So konsequent wie klar habe sich der 1959 gegründete UN-Ausschuß für die friedliche Nutzung des Weltraums (Copuos) darum gegen die Förderung von privater Ausbeutung kosmischer Ressourcen ausgesprochen (Max Planck Forschung, 1/18).

Kosmos ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“?

Rechtssicherheit im völkerrechtlichen Sinn bestehe damit allerdings nicht. Dies habe auch der findige luxemburgische Gesetzgeber begriffen, der noch im Entwurf von 2016 formulierte, daß die Inbesitznahme kosmischer Rohstoffe „gemäß internationalem Recht“ erfolge. Im Gesetz von 2017 wurde dieser Passus gestrichen, weil das Völkerrecht im Weltraum eben viel Platz für Anarchie lasse, während das für Berlin angeblich so vorbildliche Luxemburger Gesetz nur Rechtssicherheit vorgaukele, um Investoren anzulocken. Im Grunde habe das Völkerrecht sich heute noch nicht vollständig von weltraumrechtlichen Anschauungen aus den 1950ern verabschiedet, wonach „Eroberung oder friedliche Besetzung“ außerirdischen Besitz begründe.

Dabei gibt es seit 1967 einen unter UN-Schirmherrschaft geschlossenen Weltraumvertrag, unterzeichnet von 107 Staaten. Der Mondvertrag von 1984 scheiterte am Widerstand der Weltraumpioniere USA und Sowjetunion. Beide Verträge sahen ein internationales Vorgehen bei der Nutzung des Kosmos als dem „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ vor. Diese Regelung beteiligt die Entwicklungsländer am Reichtum des „Erbes“, was den beiden Supermächten bezüglich des Mondes und weiterer erreichbarer planetarischer Ausbeutungsobjekte zu riskant erschien. Ähnliche Widerstände gab es bis 1994 gegen die Schaffung einer internationalen Tiefseebehörde, da die Industrieländer fürchteten, ihre Investitionen in die Meeresforschung kämen überwiegend dem globalen Süden zugute.

Ähnlich unübersichtlich wie die Lage vor Abschluß der UN-Seerechtskonvention ist für Gradoni die aktuelle Debatte über das Bergbaurecht im Weltraum. Das zeige Rußlands empörte Reaktion auf die Gesetzinitiativen der USA als „willkürliche Selbsterweiterung der eigenen Freiheit“. Aus Rußlands Sicht agiere Luxemburg also dreist im Schatten eines „selbsternannten Hegemons“. Da zeichnen sich internationale Konflikte ab, die der BDI gar nicht berücksichtigt. Ebensowenig wie den russischen Einwand, daß kleinere Asteroiden durch Bergbau aus ihrer Bahn gelenkt werden könnten – „mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Weltbevölkerung“.

BDI-Positionen zur Rohstoffversorgung:  bdi.eu/

„Auf Fischzug im Weltraum“ in: Max Planck Forschung, (1/18):  www.mpg.de/