© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Aufgeschnappt
Ring der Verzweiflung
Matthias Bäkermann

Chaos ist die Wonne der Phantasie! Diesem Prinzip folgend hatte die Berliner S-Bahn pünktlich zum Sommerloch Anfang Juli ein „Pilotprojekt“ angekündigt: Die notorische Unpünktlichkeit sollte zumindest auf der stark frequentierten Ringbahn – in Ermangelrung moderner Strecken- und Signaltechnik – dadurch abgebaut werden, indem Züge mit Durchfahrten an einigen Bahnhöfen Zeit gewännen. Das ganze deklarierte das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn auch noch als „Teil eines umfangreichen Qualitätsprogramms“. Wie die Berliner Zeitung vergangenen Dienstag meldete, haben die Verantwortlichen nach einem Proteststurm nun davon Abstand genommen: „Unser Vorhaben besitzt offenbar nicht die volle Akzeptanz von seiten der Kunden und des Landes“, managerfloskelte eine Bahnsprecherin. 

Nun bleibt für das bei Pendlern bis zur 2005 vom damaligen Chef des Mutterkonzerns, Hartmut Mehdorn, eingeleiteten „renditeorientierten“, sprich investitionsscheuen Unternehmenskultur beliebte und verläßliche Verkehrsmittel nur mehr das Warten. Denn erst 2022 sind größere Investitionen in die Infrastruktur zu erhoffen. Vielleicht steuern dann sogar S-Bahnzüge den neuen Flughafen BER an, die erstmals nicht aus dem vergangenen Jahrtausend stammen.