© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Erdogans langer Arm ist abgeschlagen
Verbot der „Osmanen Germania“: Die Türken-Rocker mit direktem Draht zur AKP sollen in schwere Straftaten verwickelt gewesen sein
Peter Möller

Der Schlag kam überraschend, aber nicht gänzlich unerwartet. Am Dienstag vergangener Woche verbot Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Verein „Osmanen Germania“. Bei der Organisation handelt es sich zwar nach eigenen Angaben um einen Boxclub, doch mit Sport hatten die deutschlandweit mindestens 300 zumeist türkischstämmigen Mitglieder meist nur am Rande zu tun – wenn überhaupt.

 Denn die Sicherheitsbehörden zählten die „Osmanen“, die sich in 16 regionalen Gruppierungen, sogenannten Chapters, mit Schwerpunkt in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen organisiert hatten, zu den sogenannten Streetgangs, auch wenn sie sich in ihrer Struktur und ihrem äußeren Erscheinungsbild an traditionellen Rockerclubs orientierten. Statt mit Motorrädern waren die Mitglieder allerdings zumeist mit Luxuskarossen unterwegs.

 So unvorhergesehen das Verbot für Außenstehende kam, so überfällig war es aus Sicht der Sicherheitsbehörden. Denn die Gruppierung (Motto: „Blut für Blut) gilt als eng mit der Organisierten Kriminalität verstrickt, vor allem beim Drogenhandel und der Zwangsprostitution. Doch auch im Sicherheitsgewerbe war der angebliche Boxverein aktiv und stellte ausgerechnet Personal für die Bewachung von Flüchtlingsheimen.

 Zudem wurde den „Osmanen Germania“ eine enge Verbindung zur AKP attestiert, der Partei des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdo- gan. Sie seien der „Schlägertrupp“ des türkischen Staates in Deutschland, lautet die Einschätzung deutscher Sicherheitskreise. Gegner waren demnach vor allem kurdische und linksgerichtete türkische Organisationen. „Es gibt Gerüchte über eine finanzielle Unterstützung. Gesichert ist der Informationsaustausch mit AKP-Mitgliedern in Deutschland“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Nordrhein-Westfalen, Oliver Huth, der Süddeutschen Zeitung. So berichtete der Spiegel über eine Abhöraktion von hessischen Polizisten im Umfeld der „Osmanen“, bei der sie zu ihrer großen Überraschung plötzlich den türkischen Präsidenten persönlich in der Leitung hatten.Das Innenministerium begründete das Verbot, dem bereits Anfang des Jahres umfangreiche Razzien vorausgegangen waren, damit, daß die Ziele des Vereins den Strafgesetzen zuwiderliefen und von ihm „eine schwerwiegende Gefährdung für individuelle Rechtsgüter und die Allgemeinheit“ ausgehe. Betroffen von der Maßnahme sind auch Teilorganisationen der „Osmanen“. Bund und Länder hätten damit gezeigt, „daß sie entschieden alle Erscheinungsformen organisierter Kriminalität in Deutschland bekämpfen“, bezog Seehofer Stellung.

Einflußreiche Stellung     im kriminellen Milieu

 Dies gelte auch für Mitglieder, die schwere Straftaten verübten. „Wer den Rechtsstaat ablehnt, kann von uns keine Nachsicht erwarten“, verdeutlichte der Innenminister. Polizeigewerkschafter Huth skizziert das Prinzip, das hinter den „Osmanen“ und ähnlichen Formationen steht: „Man gibt sich eine Identität durch eine Art Uniform und versucht, über das Gemeinschaftsgefühl Mitglieder zu gewinnen. Diese setzen sich dann im kriminellen Milieu fest und verdienen hier ihr Geld. Die Clubs sind sehr hierarchisch organisiert und ermöglichen so bildungsfernen Schichten eine Art Karriere, wenn man nur lange genug dabei ist.“ 

Was die Behörden besonders nervös gemacht hat, ist das rasante Wachstum der „Osmanen“. Denn obwohl die Organisation offiziell erst 2015 gegründet wurde, hat sie sich im kriminellen Milieu schnell durch ihr rücksichtsloses Vorgehen eine einflußreiche Stellung erworben. Laut der Verbotsverfügung des Innenministeriums weisen 81 Kuttenträger der „Osmanen“ insgesamt 336 Einträge im Strafregister auf, allein in 73 Fällen geht es um Körperverletzung, berichtet der Focus. Wie brutal sie dabei vorgehen, zeigt ein Prozeß, der bereits seit März in Stuttgart gegen acht mutmaßliche Mitglieder der „Osmanen“ läuft. Die lange Liste der Anschuldigungen hat es in sich: versuchter Mord, versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Zuhälterei, räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung sowie mehrere Waffen- und Drogendelikte.

Auch Berichte aus dem streng hierarchisch ausgerichteten Innenleben der Organisation machten deren Gefährlichkeit deutlich. „Wir sind Boxclub, aber trotzdem sind wir auch eine Rockergruppe. Wir haben auch viele Feinde … Aber, wenn’s hart auf hart kommt, sind wir die größten Schweine überhaupt“, soll laut der Verbotsverfügung ein Führungsmitglied das Selbstverständnis der „Osmanen“ beschrieben haben.Widerspruch wird nicht geduldet: „Sei immer loyal zu Deiner Familie“ lautet demnach eine Regel, und eine weitere: „Spreche nie mit der Polizei und nicht mal dann, wenn sie nach Feuer fragt.“ Daß sich mit dem Verbot der „Osmanen“ das Problem einer straff gegliederten, türkisch geprägten organisierten Kriminalität in Deutschland erledigt hat, glaubt in den Sicherheitsbehörden niemand. Längst schon haben türkischstämmige Kriminelle auch in den klassischen Rockerclubs Fuß gefaßt und ihre Stellung ausgebaut.