© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Mugabes langer Schatten
Simbabwe: Harter Kampf um die Nachfolge des geschaßten Langzeitpräsidenen
Marc Zoellner

Als Emmerson Mnangagwa die Bühne verließ, brach das Chaos aus: Gerade noch hatten seine Anhänger den simbabwischen Präsidenten mit frenetischem Jubel verabschiedet, als plötzlich eine gewaltige Explosion das VIP-Zelt am Rand des Veranstaltungsortes zerriß. Nur knapp entging der 75jährige, der im November vergangenen Jahres zum Nachfolger des geschaßten Robert Mugabe ernannt wurde, einem Attentat. Zwei Menschen riß die Handgranate in der südwestsimbabwischen Metropole Bulawayo Ende Juni in den Tod – darunter einen der Vizepräsidenten Mnangagwas.

Es herrscht Wahlkampf, und daß dieser blutig werden könnte, davor hatten lokale Kommentatoren schon vorab gewarnt. Denn die kleine südafrikanische Nation steht vor einem richtungsweisenden Wahlgang: neben dem Amt des Staatspräsidenten haben die gut neun Millionen Wahlberechtigten auch das Parlament und den Senat neu zu besetzen. 

Stammesrivalitäten prägen den Wahlkampf

Drei Parteien ringen dabei um die Stimmbürger. Neben der seit 1980 de facto diktatorisch regierenden „Afrikanischen Nationalunion von Simbabwe – Patriotische Front“ (Zanu-PF) sind dies die „Bewegung für demokratische Veränderung – Tsvangirai“ (MDC-T), in deren Kielwasser sich ein gutes Dutzend Splittergruppen als Block zusammengeschlossen haben, sowie die „Erneuerten Demokraten von Simbabwe“ (RDZ), deren „Koalition der Demokraten“ (Code) inhaltlich von der „Afrikanischen Volksunion von Simbabwe“ (Zapu) dominiert wird. Letztere wiederum sieht sich als Vertreter der Ndebele, einer gut zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachenden, im 19. Jahrhundert nach Simbabwe eingewanderten Minderheit im sonst vom Stamm der Schona geprägten Land.

Mit der Zanu-PF verbindet die Zapu eine leidvolle Geschichte: Beide entstanden als kommunistische Guerillabewegungen in den 1960er Jahren, während der „Buschkriege“ gegen das international nicht anerkannte Apartheidregime unter Ian Smith im damals noch „Südrhodesien“ genannten Staat.

 Nach der Abdankung Smiths übernahm Mugabe als Vorsitzender der Zanu-PF die Amtsgewalt und ließ mittels der als „Gukurahundi“ berüchtigt gewordenen Massaker in den 1980ern Zehntausende Ndebele ermorden, die Zapu 1987 schließlich mit der Zanu-PF zwangsvereinigen. Erst 2008 erlangte die Zapu ihre Selbständigkeit wieder. Eine Versöhnung beider Parteien fand bis dato nicht statt. Den durch den Militärputsch vom November 2017 ausgelösten Sturz Mugabes begrüßte die Zapu. Mit einem Wahlerfolg können die Leninisten allerdings nicht rechnen. 

Auch die Kandidatur des Code-Spitzenkandidaten Elton Mangoma gilt als aussichtslos; ihre Wählerklientel zur Senats- und Parlamentswahl rekrutiert sich fast ausschließlich aus der Minderheit der Ndebele – die neben der Zapu jedoch ebenso mit der MDC-T liebäugeln, der bedeutendsten Oppositionspartei. 

Diese erhält zur Wahl am 30. Juli außergewöhnliche Rückendeckung. „Robert Mugabe hat mir eine Nachricht geschickt“, freute sich Nelson Chamisa, Präsidentschaftskandidat der MDC-T, während eines Wahlkampfauftritts. „Er sagt, er wird für mich stimmen, denn ich bin seine Wahl. Er ist der erste gewählte Präsident, und ich werde der zweite sein.“ Tatsächlich war die Überraschung gelungen, und sie dürfte auch in das Kalkül des 40jährigen passen, sich als würdiger Nachfolger Mugabes, der als Vorkämpfer der simbabwischen Unabhängigkeit noch immer hohe Popularität im Land genießt, zu präsentieren. Chamisa weiß: Für ihn zählt jede Stimme, auch jene der vom Militärputsch enttäuschten Anhänger des ehemaligen Autokraten. 

Immerhin deuten die jüngsten Wahlumfragen – die in Simbabwe allerdings nicht repräsentativ sind – auf ein knappes Rennen hin zwischen der Zanu-PF, die derzeit bei gut 40 Prozent steht, und der MDC-T, denen bislang ein Drittel der Wähler ihre Stimme gewähren würde. Und so ist es nur oberflächlich widersprüchlich, daß gerade jene Oppositionsbewegung, die sich seit der Jahrtausendwende um den Rücktritt Mugabes bemüht hatte, sich nun mit dessen Federn schmücken darf.

Opposition sieht sich benachteiligt

Mit Mnangagwa, seinem ehemaligen Weggefährten seit der Zeit des Buschkriegs und jetzigem Amtsnachfolger, hatte Mugabe sowieso gebrochen. Denn eigentlich plante Mugabe mit seiner eigenen Frau Grace, aufgrund ihres opulenten Lebensstils von den Medien „Gucci Grace“ getauft, als künftiger Präsidentin – doch ihre Nominierung gab den Anlaß zum Staatsstreich der Streitkräfte. Als Mugabes ewiger Schatten verschrien, ist Mnangagwas Beliebtheit entsprechend lau. Deutlich stehen die Vorzeichen, daß er zumindest gegen Chamisa zur Stichwahl um die Präsidentschaft antreten muß. Auch daß die Zanu-PF erstmalig in ihrer Geschichte die Mehrheit im Parlament einbüßen könnte, gilt nicht mehr als unwahrscheinlich. 

Mit Bestechungen versucht Mnangagwa von daher, sich zumindest die Gunst der Stammesoberhäupter Simbabwes zu sichern. „Wir haben sämtliche Häuptlinge in die Provinz Midlands eingeladen und sie über die neue Regierung informierten“, bestätigte Mnangagwa kürzlich der Tageszeitung The Standard. „Wenn wir nach dem 30. Juli an der Macht sind, werden sämtliche 289 Häuptlinge brandneue Autos besitzen.“ 

Gleichzeitig verschärft der Interimspräsident den Ton gegenüber den gut 4.500 weißen Farmern Simbabwes, von denen über 90 Prozent bereits unter Mugabe enteignet wurden – und denen Mnangagwa zu Jahresbeginn Zugeständnisse zur zumindest pachtweisen Rückgabe ihrer Ländereien gemacht hatte. Pünktlich zur Wahl folgt nun die Kehrtwende. „Die neuen Regelungen werden den Weißen kein Land zurückgeben“, versprach er seinen Wählern. „Wenn sie wollen, können sie ja ein Schiff besteigen, in ihr Heimatland zurückkehren und dort den Boden aufteilen.“

Tatsächlich scheint die Regel in Simbabwe zu lauten, die Stimmung aggressiver werden zu lassen, je näher der Stichtag der Abstimmung rückt. Kürzlich erst drohte die Opposition, die Wahl platzen zu lassen, und streute Gerüchte über russische und chinesische Beihilfe zur Wahlfälschung mittels chemisch behandelter Stimmzettel. 

Die EU entsandte eigens schon Wochen vorab 140 Wahlbeobachter. Denn das Attentat auf Mnangagwa ließ alle Alarmglocken schrillen. Während die ermittelnden Polizisten die Täter im Umkreis von Grace Mugabe vermuten, kursiert unter der Bevölkerung ein Gerücht: Die Handgranate sei ein Racheakt für die Gukurahundi-Massaker, während deren Zeit Mnangagwa als Minister für Staatssicherheit tätig war, und Bulawayo sei lediglich der Anfang einer Gewaltspirale der Ndebele-Minderheit gegen das nunmehr porös gewordene Zanu-PF-Regime.