© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Grüße aus Rom
Nur eine grüne Marotte
Paola Bernardi

Es ist Mittag in Rom. Es tönen die Glockenschläge der nahen Kirchen. Unten im Zentrum brodelt der alltägliche Verkehr, nur verhalten hört man Hupen,  Schreie, Flüche und Bremsen bis hier hinauf auf den Hügel. Rom lärmt, Rom nervt. 

Doch hier, in der Villa Borghese, dem größten Park der Stadt, dieser schattigen Oase, unter Zypressen und Palmen auf den Steinbänken, herrscht angenehme Stille. Das Gras ringsum ist grün und hoch. Doch plötzlich wird diese Idylle durch das Blöken einer Schafsherde unterbrochen. Mögen es fünfzig Schafe sein, die von einem stoisch dreinblickenden alten Hirten in die Wiesen getrieben werden und nun anfangen, munter wiederzukäuen. 

Wenn man jetzt die Augen schließt, scheint die Zeitmaschine zu funktionieren. Schwärmte doch schon Goethe von der „Römischen Campagna“. Sein Freund, der Maler Johann Heinrich Tischbein malte 1787 das bekannte Gemälde, das Goethe bei einem Ausflug auf der Via Appia darstellt, wo die römische Landidylle gepriesen wird. Das Symbol schlechthin seitdem für die „römische Campagna“. 

„Der Fleischimport aus dem Ausland hat unser Geschäft fast zum Erliegen gebracht.“

Rom ist eine grüne Stadt: Parks, Felder, und Obstgärten, die sich mitunter hinter Toren verbergen.  Wie keine andere Stadt ist Rom reich an Plätzen, die Natur und Kultur vereinen. Doch für die Pflege vieler Anlagen fehlt schlicht das Geld. Roms Stadtverwaltung ist chronisch pleite. 

So kam nun eine grüne Umweltreferentin auf dem Capitol auf die Idee, daß Schafe Rom wieder zu altem Glanz verhelfen sollen. Doch es gibt nur noch insgesamt fünf Hirten, und ihre Herden werden immer kleiner, weil das Weideland immer knapper wird. An der römischen Peripherie entstehen immer neue Ghettos mit Hochhäusern für die ärmere Bevölkerung und für Migranten. Im Gegenzug werden stetig neue Golfplätze für die Reichen geplant. So verschwindet die in der Literatur und Malerei über Jahrhunderte viel beschworene römische Campagna langsam. 

Auch lohne sich Schafszucht  nicht mehr, meint der 80jährige Franco di Corviale, der älteste Schafshirte Roms. „Der Fleisch-import aus dem Ausland hat unser Geschäft fast zum Erliegen gebracht, genauso ist es bei Milch und Käse.“ Aber die neue Initiative der Stadtverwaltung könnte doch eine Chance sein? Doch Schäfer Franco bleibt skeptisch: „Das ist nur eine modische grüne Marotte.“