© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Zwischen Dialog und Einschüchterung
Nato und USA: Auf Druck des US-Präsidenten rückt die Allianz – zumindest finanziell – näher zusammen / Dialog mit Moskau erwünscht
Curd-Torsten Weick

Damon Wilson, Vizepräsident der US-Denkfabrik Atlantic Council faßt Präsident Donald Trumps Umgang mit US-Verbündeten schlicht und einfach unter dem Motto „Führung durch Einschüchterung“ zusammen. In Anspielung auf Trumps Vergangenheit als Reality-TV-Star, so Wilson weiter, habe Trump diese Rolle auch in seiner Präsidentschaft übernommen. Er schaffe und fabriziere Krisen, schaffe Spannung, stürze hinein und löse die Probleme. 

So hatte der US-Präsident zu Beginn des Nato-Gipfels beim Frühstück mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Deutschland vorgeworfen, aufgrund seiner hohen Abhängigkeit von russischem Gas unter „totaler Kontrolle“ Moskaus zu stehen. Zudem forderte er alle Nato-Staaten und speziell Deutschland auf, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Im Vorfeld des Gipfels hatte Trump sogar mit dem Rückzug der USA aus der Allianz gedroht.

Doch zum Schluß zeigte sich der 71jährige versöhnt. Per Twitter bedankte er sich für die Veranstaltung und bekräftigte das Engagement der Vereinigten Staaten für die Nato.

 Die Vereinigten Staaten seien in der Vergangenheit „nicht fair behandelt“ worden, aber „jetzt“ sei es soweit, sagte Trump auf einer Pressekonferenz in Brüssel, nachdem die Nato-Führung eine Dringlichkeitssitzung abgehalten hatte, um die Beschwerden des US-Präsidenten zu debattieren. „Jetzt sind wir sehr glücklich und haben eine sehr, sehr mächtige, sehr, sehr starke Nato, stärker als vor zwei Tagen. Jeder habe zugestimmt, ein bißchen mehr als die zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts  für seine Verteidigung auszugeben“, schwärmte Trump – was Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dann aber bestritt. Er glaube nicht, daß es eine gute Idee sei, das Ziel für die Verteidigungsausgaben von zwei Prozent auf vier Prozent des BIP zu erhöhen, wie es Trump vorgeschlagen habe. Dennoch hätten alle zugestimmt, ihre Ausgaben entsprechend der 2014 eingegangenen Verpflichtungen zu erhöhen“, fügte Macron hinzu und lobte: „Ich denke, daß die Nordatlantische Bündnis aus diesen letzten Tagen viel stärker hervorgegangen ist.“

Ein „neues Gefühl der Dringlichkeit“ bei der Nato

„Wir hatten einen sehr guten Gipfel“,  schwärmte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Man habe wichtige Entscheidungen zur Stärkung der Abschreckung und Verteidigung der Allianz getroffen. Nur eine „faire Lastenverteilung zwischen allen Bündnispartnern“ könne dies auch gewährleisten. Alle Verbündeten, so der Norweger, hätten Trumps Botschaft, die  ein „neues Gefühl der Dringlichkeit“ vermittelt habe, „laut und deutlich“ gehört. Bereits seit dem Amtsantritt von Präsident Trump hätten die europäischen Bündnispartner und Kanada ihre Verteidigungsausgaben um weitere 41 Milliarden Dollar aufgestockt. Nun seien alle Bündnispartner bereit, ihre „Anstrengungen zu verdoppeln“. 

Diese sind vielfältig. So will das Bündnis die Fähigkeit seiner Streitkräfte erhöhen, sie über den Atlantik und innerhalb Europas schnell zu verlegen. Zudem sollen die Befehlsstruktur modernisiert und ein neues Cyber-Operations-Center und Counter-Hybrid-Support-Teams eingerichtet werden. Auch der Beitrag der Nato beim Kampf gegen den Terrorismus soll verstärkt werden. Dabei steht eine neue Trainingsmission im Irak sowie die Verlängerung der Nato-Präsenz in Afghanistan bis 2024 im Fokus. 

Auch bei der Erweiterung plant die Allianz Großes. So wird die mazedonische Regierung in Skopje eingeladen, Beitrittsgespräche aufzunehmen. Zudem beschwor die Nato bei einem Treffen mit dem Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, ihre „besondere Partnerschaft“ im Kampf gegen die „aggressiven Handlungen Rußlands“, die nicht nur die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine, sondern auch Georgiens gefährde. 

„Heute haben wir uns darauf geeinigt, Georgien und die Ukraine auf die Nato-Mitgliedschaft vorzubereiten“ resümierte Stoltenberg. Zugleich wies er aber auch darauf hin, daß die Allianz ihrem zweigleisigen Vorgehen gegenüber Rußland treu bleibe: „Verteidigung und Dialog. Wie streben weiterhin eine konstruktive Beziehung an.“

Putin: „Ich bin Donald dankbar dafür“ 

Dies sah Trump auch so und lobte im Anschluß des Treffens mit Wladimir Putin: „Der konstruktive Dialog zwischen den USA und Rußland bietet die Möglichkeit, neue Wege zu Frieden und Stabilität in unserer Welt zu eröffnen.“ Nach Jahren der Konfrontation sei dies ein „sehr konstruktiver Tag“ mit einem „guten Konkurrenten“ gewesen. Auch Präsident Putin sprach von  einem „guten Gespräch“. „Ich hoffe, daß wir uns besser verstehen, und ich bin Donald dafür dankbar.“ Natürlich gebe es noch „einige Herausforderungen“ zu klären, da man zeitlich nicht in der Lage war, den gesamten Rückstand aufzuholen.