© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Auf dem Trockenen
Dürre-Hilfen: Bundesregierung hält die Bauern hin / AfD: „Nationale Notlage“
Christian Vollradt

Das Sprachbild hätte kaum unpassender sein können: „Wir werden die Betriebe nicht im Regen stehen lassen“, sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vergangene Woche nach einer Sitzung des Bundeskabinetts. Regen. Nichts ersehnen die Bauern mehr als endlich Niederschlag. Verbrannte Felder, „Kümmerkorn“, das bei der Getreideernte durch die Siebe der Mähdrescher fiel; Rüben, die zu klein sind und tagsüber die Blätter auf den Boden legen („schlafen“), Mais ohne Kolben; Gras, das nicht mehr wächst, so daß der zweite und dritte Schnitt ausbleiben muß – das alles hängt zusammen mit dem, was die Landwirte in weiten Teilen des Landes entbehren mußten: Regen. 

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat seine ohnehin schon pessimistische Ernteprognose Anfang des Monats noch einmal deutlich nach unten korrigiert: Statt der zuletzt geschätzten 41 Millionen Tonnen Getreide rechnet der DBV nur noch mit einer Erntemenge von rund 36 Millionen Tonnen. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied fordert schon seit Wochen, den nationalen Notstand auszurufen, damit der Bund den Ländern beispringen kann. Notwendig seien Soforthilfen in Höhe von einer Milliarde Euro, so Rukwied. Ohnehin seien „die Voraussetzungen für Finanzhilfen durch die Länder in den besonders betroffenen Regionen klar erfüllt“, ist sich der DBV-Chef sicher. Er rechnet „allein beim Getreide mit einem Minus von rund 1,4 Milliarden, dazu kommen Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln und Grünfutter.“

Doch die Ministerin tritt beim Thema Finanzhilfen auf die Bremse und hält die Landwirte hin. Klöckner betont, ihr Haus müsse erst den wahrscheinlich Ende August vorliegenden Erntebericht abwarten. Man brauche „einen differenzierten Zugang zu dem Thema“, begründet die pfälzische Winzertochter ihre abwartende Haltung. Das sorgt für Kopfschütteln bei betroffenen Bauern – selbst bei denen, die sich nicht dem Verbandspräsidenten mit seiner pauschalen Forderung nach milliardenschwerer Soforthilfe anschließen mögen. Was sie ärgere, sei die Doppelzüngigkeit Klöckners. Denn in der Debatte um gesetzliche Einschränkungen beim Pflanzenschutz sei die Ministerin mit großer Verve eingestiegen – Stichwort Pestizid-Verbote – und habe so gar nicht einen „differenzierten Zugang zu dem Thema“ angemahnt. Die CDU-Frau habe offenbar mehr Empathie mit Bienen als mit Bauern, grummelt ein Landwirt. Klöckners Hinweis, immerhin gehe es um das Geld der Steuerzahler, werde schließlich bei anderen, noch teureren Hilfsmaßnahmen nicht gleich nachgeschoben, wundert sich der Mann. 

Grüne mokieren sich über „pauschales Handaufhalten“

Zuletzt hatte der Bund im Jahr 2003  Mittel in Höhe von knapp 40 Millionen Euro aufgrund von Dürre für notleidende Betriebe gewährt. Ungewöhnlicherweise betont marktwirtschaftlich gab sich SPD-Chefin Andrea Nahles und wandte sich gegen „reflexhafte“ Geldforderungen: „Letztes Jahr hatten wir lange Regenperioden, dieses Jahr extreme Trockenheit. Das können wir nicht jedesmal mit kurzfristigen Finanzhilfen ausgleichen“, sagte Nahles dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ihre Parteifreundin Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin des agrarisch geprägten und von Dürre betroffenen Mecklenburg-Vorpommern forderte dagegen bereits Hilfen vom Bund. Daß sich wiederum die Grünen gegen „pauschales Handaufhalten“ der Bauern wenden, ist in den Augen der stellvertretende Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, „an Verachtung nicht zu überbieten“. Fachleute rollen angesichts mancher Forderungen der Grünen nach einer Agrarwende angesichts des Klimawandels ohnehin nur die Augen. „Hat es auf die Felder der Bio-Bauern etwa  mehr geregnet“, spottet ein Landwirt. Tatsächlich dürfen nämlich gerade wegen der Dürre jetzt bei den Tierhaltern auch Öko-Betriebe ausnahmsweise konventionell erzeugtes Futter hinzukaufen.Genauso hat die EU im Rahmen erster Hilfsmaßnahmen Zwischenfrüchte auf ökologischen Vorrangflächen zur Futternutzung freigegeben. 

Für die AfD bedeuten die zu erwartenden Ernteausfälle von 30 bis 60 Prozent im Vergleich zum langjährigen Mittel bei allen landwirtschaftlichen Kulturen „ein Schadensereignis nationalen Ausmaßes“. Um weitere Hofaufgaben zu verhindern, müsse den notleidenden Bauern unverzüglich von staatlicher Seite geholfen werden, forderte der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka auf einer vergangene Woche eigens einberufenen Pressekonferenz seiner Fraktion. Ganz oben auf der Liste der AfD steht die steuerliche Förderung von Risikorücklagen aus Gewinnen, die bei Mißernten aktiviert werden könnten. Das wünschen sich auch viele Landwirte, allerdings hatte sich die Finanzministerkonferenz der Länder im Dezember 2015 erst dagegen ausgesprochen. 

Bäuerliche Appelle an das soziale Gewissen der Kirchen, die vielerorts Agrarland besitzen und verpachten, scheinen unterdessen in Teilen gefruchtet zu haben. So hat etwa in Niedersachsen die Leitung der Landeskirche Braunschweig beschlossen, Pächtern, die durch Trockenschäden Ernteausfälle zu verzeichnen haben, „auf begründeten Einzeltantrag die Pachtzahlung bis Ende Dezember 2018 zinslos zu stunden“, teilte ein Sprecher auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. Ähnliches diskutiere man in der Hannoverschen Landeskirche, hieß es aus dem zuständigen Kirchenamt.