© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Eine „Farce“ in den Ferien
Christian Vollradt

Auf den langgestreckten Fluren des Paul-Löbe-Hauses – direkt neben dem Reichstag an der Spree – haben während der parlamentarischen Sommerpause die Handwerker das Regiment übernommen. Etage für Etage werden etwa neue Teppiche verlegt. Wegen des geringen Publikumsverkehrs ist das ein günstiger Moment, sonst würde womöglich manche Schuhsohle unbedacht im Klebstoff landen. Außerdem können die gläsernen Fahrstühle zu Lastenaufzügen umfunktioniert werden. Und wo sonst lederne Aktentaschen dominieren, herrscht jetzt der rustikale „Hilti“-Koffer.

Vergangene Woche allerdings kehrte in einem Teil des Gebäudes das übliche Prozedere zurück: Die Mitglieder des Haushaltsausschusses mußten ihre Ferien unterbrechen und zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Grund: Griechenland. Oder genauer: Olaf Scholz (SPD). Denn der Ägäisstaat soll die letzte Tranche in Höhe von 15 Milliarden Euro aus dem dritten Euro-Rettungsprogramm überwiesen bekommen. Zwar hatten die Abgeordneten einem entsprechenden Antrag der Bundesregierung bereits Ende Juni im Plenum zugestimmt. Doch einen Tag nach der Sitzung hatte die griechische Regierung bekanntgegeben, sie werde Mehrwertsteuer-Rabatte für fünf Inseln mit einem Volumen von etwa 28 Millionen Euro erst Ende des Jahres beenden und nicht schon im Sommer. Daraufhin bekam der Bundesfinanzminister kalte Füße; er fürchtete offenbar, aufgrund dessen könnte es heißen, der Bundestag hätte unter diesen einseitig von Athen geänderten Rahmenbedingungen die Auszahlung vielleicht anders abgestimmt. Klar, daß Scholz mit dieser Sorge vor allem auf die AfD – und eine mögliche Klage – schielte. 

Für den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Peter Boehringer (AfD), ist die deswegen anzuberaumende Sitzung des Gremiums „eine Farce“. Man gebe seitens der Koalition vor, sich um das Steuergeld der deutschen Bürger zu kümmern – allerdings nur in einer „irrelevanten Detailfrage“. Denn gemessen am Volumen der Dauer-Rettung Athens in Höhe von bisher etwa 280 Milliarden Euro „müßte die Bundesregierung 10.000 Sondersitzungen des Haushaltsausschusses einberufen“, folgert der Finanzexperte. Das verdeutliche den ganzen Widersinn dieser Politik: „Man quält sich mit einem Millionen-Beschluß, während die Milliarden munter weiter verteilt werden“, kritisiert Boehringer im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Griechenland gilt inzwischen als gerettet. Dieses Narrativ ist eine Täuschung der Öffentlichkeit“, warnt der Ausschußvorsitzende. Die griechische Wirtschaft könne innerhalb des Euros grundsätzlich nicht genesen.

Doch mit der Mehrheit der Koalition von CDU/CSU und SPD sowie den Stimmen der Grünen votierte der Haushaltsausschuß in der Sondersitzung schließlich für die Freigabe der Gelder. AfD, FDP und Linkspartei stimmten  dagegen. Finanzminister Olaf Scholz konnte im ESM-Direktorium grünes Licht aus Deutschland signalisieren. Die Milliarden fließen in Richtung Peloponnes – und im Paul-Löbe-Haus können sich die Handwerker wieder ungestört ihrer Arbeit an den Bodenbelägen widmen.