© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Mit gutem Gewissen in die Pleite
Grüne Geldanlagen: Hamburger Verbraucherzentrale warnt vor Insolvenzrisiko bei riskanten „Öko“-Investitionen
Carsten Müller

Wer vor 20 Jahren Rheinmetall-Aktien kaufte, hat seine Investition vervierfacht – Dividenden nicht mitgerechnet. Wer vor zehn Jahren bei Boeing einstieg, freut sich über die Verzehnfachung seines Kapitals. Doch beide Konzerne verdienen ihr Geld unter anderem mit Rüstung. Und das bereitet vielen Bauchschmerzen.

„Ich will mein Geld mit gutem Gewissen anlegen“ oder „Ich will etwas für die Umwelt tun“ – das sind zwei gängige Begründungen, wenn man Anleger fragt, warum sie ausgerechnet in sogenannte Öko-Investments investieren. Viele  dieser Projekte wären ohne das „grüne“ Kapital kaum umsetzbar. Gleichzeitig sind solche Geldanlagen, wenn sie denn gelingen, auch aus Renditeaspekten eine durchaus interessante Beimischung beim privaten Vermögensaufbau. Allerdings übersehen viele Kleinanleger die oftmals hohen Risiken: Wie bei ganz gewöhnlichen Geldanlagen können auch hier Einbußen oder ein Totalverlust drohen.

Ein Paradebeispiel lieferte die Photovoltaik: Stellten vor wenigen Jahren die Hersteller von Solarzellen – auch dank einer üppigen Subventionspolitik und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – geradezu ein Rendite-Bonanza dar, sind inzwischen dunkle Wolken aufgezogen. Immer weniger Regierungen sind bereit, hier Steuergeld auszuschütten. Die einst geförderten Firmen müssen sich dem Weltmarkt stellen – und da haben asiatische Hersteller die besseren Voraussetzungen. Ähnliches gilt für die Windenergie. So wurde beispielsweise vor kurzem in Deutschland das Vergabeverfahren für Windparkprojekte verändert. Jetzt erhält derjenige den Zuschlag, der die geringste Einspeisevergütung verlangt. Das drückt natürlich auch die mögliche Rendite solcher Investments.

Aber warum schafften gerade Öko-Investments in den vergangenen Jahren solch einen Siegeszug? Das mag auf den ersten Blick verwundern. Schließlich gibt es das Thema ethisch-nachhaltige Geldanlagen seit Jahrzehnten. Ein möglicher Erklärungsansatz: Während es bei den meisten ethischen Anlagen nur darum geht, in bestimmte Branchen und Themen wie Rüstung oder Tabak nicht zu investieren, also gegen etwas zu sein, bieten ökologische Anlagen die Möglichkeit, aktiv in etwas zu investieren.

Mit dem staatlich subventionierten Boom von Solarenergie, Windkraft und Biogas ergab sich auf den ersten Blick quasi eine Win-Win-Situation zwischen Initiatoren/Unternehmen auf der einen und Anlegern auf der anderen Seite. Etliche Insolvenzen und verlorene Anleger-Milliarden später ist offensichtlich: Grüne Investments sind nicht das sichere Investment, als das sie vielen uninformierten Anlegern verkauft wurden.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat nun nachgezählt und kam im Juli für den Zeitraum bis zurück auf das Jahr 2012 auf insgesamt 53 Insolvenzen von Öko-Firmen allein in Deutschland. Wer erinnert sich nicht an die spektakuläre Pleite der Solarworld AG (JF 21/17) – und das, nachdem die Anleger schon 2013 bei dem von Grünen-Mitgründer Frank Asbeck (Spitzname „Sonnenkönig“) geführten Bonner Unternehmen schon viel Geld verloren hatten. Im März stellte auch die Nachfolgefirma Solarworld Industries GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Jedes Trendthema lockt auch Scharlatane an

Die Liste kann geradezu beliebig fortgeführt werden (JF 40/16). Für Schlagzeilen sorgten der Windpark-Betreiber Prokon (JF 22/15) oder die Holzfirma German Pellets (JF 8/16), die jahrelang auf keiner Anlegermesse fehlte, um Kleinsparer anzulocken. Namen wie Asian Bamboo, die in Bambus investieren wollte, der Agrarkonzern KTG oder die Solarzellenfirma Q-Cells (JF 24/12) komplettieren dieses Bild. Was dabei besonders auffällt: Rund 40 Prozent der von der Verbraucherzentrale aufgeführten Insolvenzen sind dem Bereich der Solarenergie zuzuordnen.

Windkraft mit 13 Prozent folgt mit großem Abstand – was wohl auch etwas über die entsprechenden Markttrends aussagt. Dabei ist den meisten Firmen dieser Kategorie generell gemeinsam, daß hier oft nur kleine Investoren Geld verloren. Oftmals in Aktien, aber auch viele Mittelstandsanleihen gehörten in diese Kategorie und sorgten letztlich dafür, daß dieses 2010 mit viel Tamtam gestartete Marktsegment inzwischen faktisch keine Rolle mehr spielt.

Sollte man deshalb generell von solchen Investment die Finger lassen? Tatsache ist: Im Öko-Sektor wird längst gutes Geld und gute Rendite verdient. Allerdings spielt sich dies wie auch bei vielen anderen Anlageformen hauptsächlich im institutionellen Bereich ab. Die wohl bekannteste Anlageform dafür sind die sogenannten Green Bonds. Diese führen zwar im gesamten Anleihenmarkt nach wie vor eher nur ein Nischendasein. Dennoch zeigte sich in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum.

So wurden im vergangenen Jahr „grüne“ Anleihen im Gesamtwert von rund 157 Milliarden Dollar emittiert, knapp doppelt soviel wie im Vorjahr. Dabei ist der Bogen von Emittenten solcher Anleihen weit gespannt. Neben vielen Versorgern und Kreditinstituten sind auch eher artfremde Unternehmen wie beispielsweise Apple unter den Emittenten von Green Bonds zu finden.

Es gibt inzwischen auch Staatsanleihen wie von Frankreich, Belgien und Polen, die sich dieses Label zunutze machen. Je nach Klassifizierung sollen dabei die entsprechenden Gelder für konkrete Öko-Projekte oder zur Behandlung der Folgen des Klimawandels eingesetzt werden. Dank des rasanten Marktwachstums gibt es mittlerweile auch Fonds oder börsengehandelte Fonds (ETF), die sich auf diese Problematiken spezialisiert haben und dem Privatanleger ermöglichen, an diesem Trend zu partizipieren.

Die Liste der Verbraucherzentrale zeigt jedoch: Allein das Label „Öko“ kann und darf kein Qualitätssiegel sein. Wer sich mit diesem Thema beschäftigen möchte und Geld investieren will, kommt nicht umhin, wie bei allen anderen Geldanlagen die Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Denn eins dürfte auch hier stimmen: Jedes Trendthema lockt auch diejenigen an, die hier nur schnelles Geld wittern und Anleger über den Tisch ziehen wollen.

Informationen der Verbraucherzentrale Hamburg über riskante Umweltinvestments:  www.geld-bewegt.de





Münchener Rück verschmäht Kohle

Der Dax-Konzern Münchener Rück will sich aus der Kohle-Branche zurückziehen. „Wir werden im Einzelrisikogeschäft, wo wir die Risiken genau sehen können, im Grundsatz künftig keine neuen Kohlekraftwerke oder -Minen in Industrieländern mehr versichern“, erklärte Vorstands­chef Joachim Wenning in der FAZ. Der weltgrößte Rückversicherer, zu dem die Ergo Group (D.A.S., DKV, Ergo, Nexible, Victoria) gehört, wolle zudem nicht mehr in Aktien oder Anleihen von Firmen investieren, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle erzielen.