© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Die ewige Verschwörung aus den Südstaaten
Vom Ku-Klux-Klan über Ronald Reagan zu Donald Trump: Der „Rassismus“ als Wunderwaffe kapitalistischer „Politik des Weißseins“
Dirk Glaser

Auch vor einem Jahr, im Juli 2017, widmeten sich viele bundesdeutsche Leitmedien, womit sie sich neben AfD-Hatz am liebsten beschäftigen: Trump-Bashing. Damals boten einige Reden und Interviews des US-Präsidenten Anlaß zu schäumender Empörung. Wollte man der Deutungskompetenz solchen Qualitätsjournalismus vertrauen, hatte der in diesem Milieu als notorischer Rassist gehandelte Donald Trump sich erdreistet, „Einwanderer“ als „Tiere“ zu beleidigen.

So trug es sich selbstredend nicht zu. Doch dazu gleich. Zunächst bleibt festzustellen, daß der prollige Umgang mit Trump kein Vorrecht der Presse ist. Auf ähnlich niedrigem Niveau findet die Auseinandersetzung mittlerweile Eingang in akademische Kreise diesseits und jenseits des großen Teiches. So mißbrauchte der an der Universität Calgary lehrende Germanist, Pfarrerssohn, taz-, Jungle World - und Konkret-Autor Jan Süselbeck das ehrwürdige Archiv der neueren Sprachen und Literaturen (255/2017) als Plattform für seine exzessiv affektgeladene Haß-Rede gegen „Trumps Affektpolitik“, um den Präsidenten, den „Westentaschen-Hitler“ Björn Höcke und die „rechtsextreme“ AfD politisch über den einen Kamm des „altbekannten Irrglaubens“ zu scheren, man müsse seine eigene „‘Identität’, ‘Kultur’, ‘Nation’ und Sprache gegen deren Auslöschung verteidigen“.

Das geht natürlich gar nicht. Findet auch Christopher Vials, Professor für Amerikastudien an der Universität von Connecticut (Hartford), der in seiner zuerst nur allzu gern von der Bundeszentrale für politische Bildung (Aus Politik und Zeitgeschichte, 12/2018) und abermals in der Zeitschrift Universitas (5-2018) veröffentlichten Philippika gegen Trump und zur „Geschichte und Politik des Weißseins in den USA“ ähnlich schrille Töne von sich gibt. Dieser Experte für den „Faschismus in den USA“ steigt in das Thema mit eben jenen skandalisierten Reden vom Juli 2017 ein. Illegale Einwanderer habe der Präsident als „Raubtiere und kriminelle Ausländer“ diskriminiert, echauffiert sich Vials. Dabei nach journalistischer Manier den Kontext ausblendend, um hypermoralisierend den Bogen zu Trumps „Technik der Entmenschlichung“ zu schlagen, „die den dunkelsten Zeiten der europäischen Geschichte entlehnt ist“. 

Tatsächlich attackierte Trump die in den 1980ern in Los Angeles entstandene Latino-Gang Mara Salvatrucha. Sie rekrutiert sich, etwa 8.000 Mitglieder stark und inzwischen auch in New York, Wa-shington und Boston etabliert, aus dem jugendlichen Heer illegal in den USA lebender Salvadorianer, die unter der Parole „Töten, vergewaltigen, kontrollieren“ operieren und für – vorwiegend gegen weiße US-Bürger verübte – Gewalttaten von beispielloser, wahrhaft „entmenschlichender“ Brutalität berüchtigt sind. Doch solche Hintergründe sind für Journalisten und für politisch engagierte Wissenschaftler wie Vials entbehrlich. Sie stören den Dauerversuch, Trump, der sich ja die moralisch verwerfliche Sicherung „weißer Vorherrschaft“ auf die Fahne geschrieben habe, in die „faschistische“ und „rassistische“ Ecke zu bugsieren.

Weiße waren in den USA stets Täter, nie Opfer

In der simplen, die Sichtweisen der afroamerikanischen, offen rassistischen Bewegung „Black Lives Matter“ und der „Kritischen Weißseins-Forschung“ kolportierenden Lesart der US-Geschichte, wie sie Vials vorträgt, sind Weiße stets Täter, nie Opfer gewesen und haben daher heute kein Recht, ihre Identität und Kultur zu behaupten. Schließlich hätten Weiße von 1790 bis 1952, mithin „Dreiviertel der US-amerikanischen Geschichte“, Nicht-Weißen die Staatsbürgerschaft vorenthalten und Nicht-Weiße an der Einwanderung gehindert. 

Um diese Schuld zu erhöhen, verfährt Vials hier zwar großzügig geschichtsklitternd, da Afroamerikaner bereits mit dem Ende des Bürgerkriegs (1865) Staatsbürger wurden. Aber entscheidender ist für ihn, was „de facto“ auch 2018 Realität sei: „Rassismus und Rassentrennung“. Jedem USA-Besucher falle rasch auf, daß Weiße, Schwarze und Latinos dazu neigen, sich in je eigenen Stadtteilen niederzulassen, obwohl derartige Separierungen nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. 

Noch offenkundiger zeige sich die faktische Rassentrennung in der Einkommensstruktur. Seit 2017 gelte das Vorurteil über die enorme, weiter wachsende Kluft zwischen dem Wohlstand Weißer und dem Nichtweißer als statistisch belegt. Eine Studie brachte ans Licht, daß der Wohlstand weißer Haushalte mit mittlerem Einkommen achtmal so hoch wie der schwarzer und zehnmal so hoch wie der von Latino-Haushalten sei. Die materielle Basis der „white supremacy“ sei damit so zementiert wie nie zuvor. 

Um die daraus resultierenden Machtprivilegien der weißen Klassen- und Rassenherrschaft zu bewahren, agiere Trump in der Tradition des Ku-Klux-Klan, der „Christian Front“ der 1930er, der „American Independent Party“ von George Wallace (60er und frühe 70er). Von Wallace und seiner „southern strategy“ habe die Republikanische Partei eine „verschlüsselte rassistische Agenda“ übernommen. Und mit Ronald Reagans „Kampf gegen Drogen“, der illegale Einwanderung und Kriminalität zu einem Narrativ verschmolz, erstmals politisch instrumentalisiert. 

Trumps Aufstieg entspringe direkt dieser kapitalistischen Strategie, große Teile der weißen Mittelschicht und der Arbeiterschaft dazu zu bewegen, ihre Klasseninteressen zugunsten ihrer „rassischen Identität“ zu verraten. Doch, so hofft der neomarxistisch inspirierte Antifaschist Vials, die Front des „gemeinsamen Rassismus“ zwischen weißer Elite und Nicht-Elite bröckele, so schnell wie die antikapitalistische „Solidarität“ zwischen jungen Weißen und Nicht-Weißen wachse. 

Womit sich endlich erfüllt, was sich auch Jan Süselbeck unter Berufung auf Walter Jens, dem Ex-NS-Parteigenossen und Möchtegern-Voltaire der Bonner Republik, für Deutschland und Amerika innig wünscht. Der habe nämlich schon 1974 im einschlägigen Fachblatt Konkret die wieder hochaktuelle Erkenntnis vermittelt, der „Faschismus“ mit allen Derivaten werde nur mit der „endgültigen Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung“ verschwinden. 

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