© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Wenn Wien noch zu weiß ist
Ein Kriminalfall in Zeiten der Masseneinwanderung
Claus-M. Wolfschlag

Bislang selten widmen sich belletristische Bücher dem Thema der Masseneinwanderung, dem „großen Austausch“, und dem Widerstand dagegen. Jedenfalls nicht abseits politisch-korrekter Welterklärungsmuster. Jurek Haslhofer hat es gewagt, und einen wahrlich bizarren Roman verfaßt, der schnurstracks in den Wahnsinn der Gegenwartsgesellschaft führt.

Ein Mordfall steht am Anfang des Geschehens. Der sozialdemokratische Politiker Martin Manninger wurde tot aufgefunden. Manninger hatte sich dafür ausgesprochen, daß sich seine Partei vermehrt um weitere Einwanderung und um türkischstämmige Wähler bemühen solle. Der Parteifunktionär hatte sich auch darüber beklagt, daß Wien im Vergleich mit anderen Großstädten Europas noch zu „weiß“ sei, was auf eine kryptofaschistische Gesinnung großer Teile der Einwohnerschaft zurückzuführen wäre. 

Schon vor diesem Hintergrund werden der Wiener Staatsanwaltschaft umgehend Weisungen erteilt, die Mörder des Politikers in „rechtspopulistischen“ Kreisen zu suchen. Diese tummeln sich auf einer Internet-Plattform, dem „Morgenröte“-Forum, und diskutieren dort, nach Meinung einiger Staatsschützer, „weltverschwörerische“ Ansichten. Doch der Blick hinter die Kulissen dieses Forums offenbart eine illustre Gesellschaft aus konservativen Goldhortern, echten oder angeblichen Agenten und einem Architektur-Liebhaber mit linker Vergangenheit, der seine Liebe zur Dresdner Barock-Baukunst nicht verhehlen kann. 

Staatsanwalt Franz Lechner gerät bei seinen Recherchen nicht nur zu einer geschäftigen Geisterseherin und in dunkle Stadtrand-Kaschemmen, sondern auch zu Satan höchstpersönlich, der sich aber mit Verachtung über das herrschende politisch-korrekte Establishment in Politik und Kirchen äußert.

Haslhofer hat keinen einfach zu lesenden Roman vorgelegt. Viele skurrile Figuren treten auf, führen zu mannigfachen Verwicklungen. Letztlich aber wird dem linksliberalen Establishment in ungewohnt deutlicher Form und ohne jede Rücksicht auf politisch-korrekte Sprachregeln der Spiegel vorgehalten. So bleibt die Frage: Was ist Wahnsinn und was bittere Realität? Der Leser muß jedenfalls die Welt des Abseitigen mögen. 

Jurek Haslhofer: Die Tanten des Adjutanten. Arnshaugk Verlag, Neustadt an der Orla 2017, gebunden, 400 Seiten, 24 Euro