© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Knapp daneben
Nachhaltigkeit als Geschäftsidee
Karl Heinzen

Der Staat allein ist mit dem Gemeinwohl überfordert. Er nimmt zwar den Bürgern das Geld, das sie verdienen, zum größeren Teil wieder ab, weiß dann aber oft nicht so recht, wofür er es ausgeben soll. Die Zivilgesellschaft steht ihm hier mit Rat und Tat zur Seite. In einem Land, das so reich ist wie das unsere, läßt sich daraus so manche Geschäftsidee entwickeln. Das Thema Nachhaltigkeit hat die gelernte Veranstaltungskauffrau Marlene Haas als eine solche identifiziert und die „Lust auf besser leben“ gGmbH gegründet. Der Alltag der Frankfurter „Sozialunternehmerin“ unterscheidet sich kaum von jenem gewöhnlicher Geschäftsleute, die keine noblen Zwecke verfolgen. Sie geht ins Büro, kocht Kaffee, konzipiert und organisiert Projekte, schreibt Angebote und Rechnungen. Eigenen Angaben zufolge lacht sie sehr gerne mit ihren Kolleginnen. Ein Projekt, das sie beschäftigt, nennt sich „Cup2gether“ und soll „Coffee to go“ ökologisch revolutionieren. 

Wer die Flut von Einwegbechern beenden will, muß den Ausschank von „Coffee to go“ generell verbieten

In den Stadtteilen Bornheim und Nordend stießen die von Gastronomen und Bäckereien angebotenen Mehrwegbecher bereits auf unerwartet hohen Zuspruch. Viel mehr als eine symbolische Reduzierung des Bechermülls darf sich trotz des guten Willens aller Beteiligten aber niemand erwarten. Nur wenige Menschen bringen die Sensibilität auf, ihre persönliche Bequemlichkeit zugunsten der Umwelt zurückzustellen. Die dumpfe Masse kennt kein ökologisches Ethos. Sie denkt egoistisch und pragmatisch. Das ist alles Quatsch mit den Mehrwegbechern, lästert sie, die sind unhygienisch, und man saut sich ein, wenn man sie mit sich herumschleppt. Das bißchen Pappe zu entsorgen kann doch kaum umweltschädlicher sein als Plastikbecher zu produzieren und diese ständig mit scharfen Reinigungsmitteln zu säubern. Wer die Flut von 320.000 Einwegbechern, die Stunde für Stunde im Müll landen, beenden will, muß daher den Ausschank von „Coffee to go“ generell verbieten. Niemand wäre deshalb gezwungen, auf irgend etwas zu verzichten. Sich morgens ein bißchen mehr Zeit zu nehmen, um ausgiebig zu frühstücken, wäre für die meisten sowieso viel bekömmlicher.